Metropolregion Rheinland Wer Rheinländer ist und wer nicht

Ausgerechnet die Preußen und englische Touristen verhalfen dem Rheinland einst zu seinem Namen. Doch wer dazugehört, ist selbst unter Experten umstritten. Eine Metropolregion könnte in Zukunft mehr Klarheit schaffen.

 Rheinromantik: Das Ölgemälde „Ansicht von Eltville“ von Christian Georg Schütz zeigt den Blick auf das Rheinland vor 250 Jahren.

Rheinromantik: Das Ölgemälde „Ansicht von Eltville“ von Christian Georg Schütz zeigt den Blick auf das Rheinland vor 250 Jahren.

Foto: dpa

Der Rheinländer hat eigentlich ein gefestigtes Selbstverständnis, das neben Karneval, Mundart und Redensarten eine gute Portion Lokalpatriotismus beinhaltet. Dabei bezeichnet der Begriff Rheinland alles andere als einen festen Kulturkreis, und selbst Experten ist nicht immer ganz klar, wer und was eigentlich dazugehört. Das wirkt sich bis heute aus: Aktuell ist etwa schon wieder eine Diskussion darum entbrannt, ob auch Duisburg und der Kreis Wesel zur Metropolregion Rheinland gehören sollen. Trotzdem ist das Rheinland zu einem festen Begriff geworden. Schuld daran sind ausgerechnet die Preußen und englische Rheintouristen.

Einen ersten Eintrag verzeichnet das Rheinland laut Georg Mölich, Historiker beim Landschaftsverband Rheinland, im Jahr 1748 in einem Lexikon, das damit allerdings noch einen Teil Südhollands mit Leyden (heute Leiden) als Hauptstadt bezeichnete. Doch bereits 1839 sei das Rheinland im Brockhaus-Conversationslexikon synonym mit der Rheinprovinz verwendet worden.

Politisch war die Region, die später zum Rheinland wurde, bis zum Einzug der Franzosen 1794 in 300 Territorien zersplittert. Auch deshalb sei lange Zeit vom Rheinland im Plural als die „Rheinlande“ oder die „Rheinländer“ gesprochen worden. Ab 1815 bildete die preußische Verwaltung zunächst die Provinzen Jülich-Kleve-Berg und das Großherzogtum Niederrhein, aus denen dann die preußische Rheinprovinz hervorging.

„So schlecht die Rheinländer die preußische Besatzung reden, letztlich verdanken sie ihr auch ihre rheinische Identität“, sagt Manfred Groten, emeritierter Professor für Rheinische Landesgeschichte an der Uni Bonn. Allerdings markierte das Rheinland laut Groten zu Preußens Zeiten noch eine Gegend, die über das heutige Rheinland hinausgeht und sich bis in die Eifel, an die Mosel und die Saar, in den Hunsrück und den Westerwald erstreckte. Vielfach seien die alten, vorpreußischen Grenzverläufe jedoch bis heute zu spüren und würden sich etwa in Rivalitäten zwischen Nachbardörfern ausdrücken.

Englische Romantiker gaben dem Rheinland einen Namen

Doch auch heute sei die geografische Zuordnung alles andere als eindeutig. „Für die einen ist schon in der Eifel oder dem Bergischen Land Schluss, für andere gehören Aachen und Mainz noch dazu“, sagt Groten. Auf der Suche nach dem Ursprung des Begriffs fällt der Blick auf das 19. Jahrhundert. „Damals war das Rheinland ein Label für den Tourismus und die Vermarktung der romantischen Rheinlandschaft“, sagt Groten. Englische Romantiker hätten den Begriff geprägt, die auf ihren Touren durch Kontinentaleuropa die Landschaft zwischen Bonn und Mainz besuchten. Für Urlaub am Rhein habe seinerzeit die Kölner Dampfschifffahrt mit Werbeanzeigen in englischen Zeitungen geworben.

Seine Hochkonjunktur habe der Rheinland-Begriff vor zehn bis 15 Jahren gehabt und sei identitätsstiftend in einem Europa der Regionen verwendet worden. „Damals konnte man sich nicht vor der Bezeichnung retten“, sagt Groten. „Inzwischen ist man damit sehr viel vorsichtiger.“ Das liege daran, dass die Bezeichnung als „Rheinländer“ Teile der Bevölkerung ausschließe. So sei es etwa schwierig, jahrzehntelang in Köln lebende Türken oder russische Aussiedler als Rheinländer zu bezeichnen – auch weil sich diese zum Teil nicht als solche sehen würden. „Es geht einem schnell über die Lippen zu sagen: Ich bin Rheinländer“, sagt Groten. Doch neben der kulturellen Identität, zu der auch der Karneval gehöre, sei schwer zu sagen, was das genau impliziert. Auch deshalb sehe sich ein Kölner zunächst als Kölner und erst in zweiter Instanz als Rheinländer.

Das Rheinland als Markenbegriff hat sich von einem Verlegenheitsbegriff zu einer festen Marke gemausert. Eine rheinische Metropolregion könnte der Region auch einen politischen Umriss geben. „Wohin sich der Rheinland-Begriff entwickelt, ist aber noch völlig offen“, sagt Groten.

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