Parlament und Armee Welche Rechte soll der Bundestag künftig bei den Einsätzen haben?

BERLIN · Die Exkursion war gefühlte Pflicht. Gerade in einem Fall, in dem es um nicht weniger als um das hohe Recht des Bundestages auf Mitsprache geht: um den Parlamentsvorbehalt bei Auslandeinsätzen der Bundeswehr.

Anfang Juli hatten Volker Rühe, Walter Kolbow und Wolfgang Schneiderhan, alle drei bereits im Pensionsalter, dazu wichtige Termine im deutsch-niederländischen Grenzgebiet.

Der frühere Verteidigungsminister Rühe (CDU), der ehemalige Verteidigungsstaatssekretär Kolbow (SPD) und der einstige Bundeswehr-Generalinspekteur Schneiderhan versammelten sich abends in einer Aachener Hotelbar, um auf ihrem Dienstausflug durch die europäische Verteidigungslandschaft den in der Stunde des Sieges bereits historischen 7:1-Halbfinaltriumph Deutschlands gegen Brasilien zu erleben. Denn die Herren arbeiten mit neun anderen Politikern, Wissenschaftlern und Militärs an einem Auftrag mit Brisanz für jeden Bundestagsabgeordneten: Sie sind Mitglieder einer Kommission, die die Rechte des Parlamentes bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr auf ihre heutige Realitätstauglichkeit überprüfen soll. Im Frühjahr kommenden Jahres sollen sie liefern.

Eine der Fragen, die Rühe als Kommissionsvorsitzenden, seinen Stellvertreter Kolbow und Schneiderhan auch bei ihren Besuchen in Eindhoven (europäisches Lufttransportkommando), in Brunssum (NATO "Allied Joint Force Command") und in Geilenkirchen (AWACS-Aufklärungsflotte der NATO) umtreibt: Passt der Parlamentsvorbehalt gerade in einer Phase, in der sich europäische Armeen auch wegen klammer Budgets zunehmend vernetzen, noch in die Zeit oder blockiert er am Ende gar die militärische Integration?

Es geht um Arbeitsteilung, weil nicht mehr jede nationale Armee - außer der NATO-Führungsmacht USA - alle Fähigkeiten beherrschen muss. Doch die Kritiker der Kommission zur Überprüfung der Parlamentsrechte bei Auslandseinsätzen befürchten den Verlust von Einfluss des Bundestages, wenn es um künftige Auslandseinsätze geht. So boykottieren Linke und Grüne die von Rühe und Kolbow geführte Kommission.

Die frühere Grünen-Chefin und heutige Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth warnte: "Es besteht die Gefahr, dass Parlamentsrechte an die Exekutive verlagert werden." Dem widerspricht Rühe. Das "hohe Gut" des Parlamentsvorbehaltes sei "völlig unumstritten", sagte er der "Zeit". "Nicht jedes europäische Land kann und muss heute noch alles können. Andererseits brauchen wir die Sicherheit, dass bestimmte Fähigkeiten im Bündnis verfügbar sind."

Das Ausscheren einer wichtigen Nation wie beispielsweise Deutschland aus der militärischen Integration, das 2011 im Libyen-Krieg seine Bundeswehrsoldaten aus den AWACS-Maschinen abgezogen und alle deutschen Kräfte aus Bündnisoperationen im Mittelmeer wieder unter deutsches Kommando gestellt hatte, will die NATO möglichst nicht noch einmal erleben.

Für den ehemaligen Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt Rühe steht fest, dass ohne die Deutschen, die ein Drittel der AWACS-Besatzungen stellen, der Verband nicht durchhaltefähig sei. Rühe spricht nun von einer "Bereitstellungssicherheit". Der Opposition wie dem Linke-Außenpolitiker Alexander Neu wiederum schwant, das wahre Ziel der Kommission sei der "Abbau der parlamentarischen Entscheidungs- und Kontrollkompetenz".

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