Kameras künftig Beweismittel Was das BGH-Urteil zu den Dachcams bedeutet

Karlsruhe · Bei Autounfällen dürfen die Kameras künftig als Beweismittel herangezogen werden. Was das Urteil des Bundesgerichtshofs bedeutet.

 Dashcamps sind vor Gericht künftig zulässig.

Dashcamps sind vor Gericht künftig zulässig.

Foto: dpa

Die Kraft des Wortes hat an Bedeutung verloren. Das hat der Bundesgerichtshof höchstrichterlich festgestellt. Was nicht durch Fotos oder Videos zu belegen ist, hat auch nicht stattgefunden. Das galt bislang für Restaurantbesuche und Skifahrten, nun auch für den Straßenverkehr. Mit der Entscheidung, Autokameras (sogenannte Dashcams) bei Unfällen als Beweismittel zuzulassen, haben die Richter den Zeitgeist getroffen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was sagt das Urteil?

Wenn Bremsspuren, andere Technik oder Zeugenaussagen einen Unfallhergang nicht klären konnten, hatten Gerichte in der Vergangenheit Probleme. Dashcams als Beweismittel in Unfallprozessen waren umstritten. Das Bundesdatenschutzgesetz verbietet derartige Aufnahmen. Karlsruhe hat nun entschieden, dass es auf den Einzelfall ankommt. Grundsätzlich dürfen die Aufnahmen verwertet werden, wenn die Privatsphäre der Gefilmten nicht überwiegt. Das sei im öffentlichen Straßenverkehr selten zu erwarten. Der Düsseldorfer Strafverteidiger Udo Vetter sagt: „Das ist eine paradoxe Situation: Man sollte sich eigentlich rechtmäßig verhalten, ist aber besser beraten, wenn man es nicht tut.“ Man darf Dashcams weiter nicht einsetzen, also den Straßenverkehr permanent filmen. Allerdings kann man so im Zweifel seine Unschuld belegen. Achim Berg, Präsident des Digitalverbands Bitkom, kritisierte das Urteil als zu unsicher: „Autofahrer brauchen klarere Regelungen, wann Dashcams eingeschaltet werden dürfen.“

Was zeichnen die Kameras auf?

Sobald eine Dashcam gestartet wird, zeichnet sie das Geschehen vor dem Fahrzeug permanent auf. Abgelegt wird das Video auf einer Speicherkarte. Erst wenn die voll ist, werden ältere Aufnahmen überschrieben. Passiert ein Unfall oder macht das Auto eine Vollbremsung, wird das von Beschleunigungssensoren registriert, und die Aufnahme wird permanent gespeichert. Eine Möglichkeit, die Regeln des Datenschutzes zu umgehen, wäre, die Aufnahmen bereits nach etwa 30 Sekunden zu überschreiben.

Können Autofahrer zum Einsatz der Kameras gezwungen werden?

Nein, denn die Dashcams sind eigentlich verboten. Allerdings kann es passieren, dass Inhaber von Dashcams Aufnahmen offenlegen müssen. „Wenn die Polizei am Unfallort danach fragt, wird man sich da wohl nicht gegen wehren können“, glaubt Vetter. Auch im Prozess um Schadenersatz könnte das Gericht verlangen, die Dashcams als Beweismittel offenzulegen. Wer die Kamera also einbaut, muss im Zweifel damit rechnen, dass sie gegen einen verwendet werden kann.

Planen Autobauer den serienmäßigen Einbau der Kameras?

Ein Audi-Sprecher verweist darauf, dass in Deutschland mit dem Urteil Bewegung in das Thema kommen könnte. „Sollte die Nachfrage nach fest verbauten Lösungen steigen, wäre ein solches Angebot denkbar“, sagte er. Opel äußerte sich nur verhalten. „Wir wollen uns zunächst die offizielle Urteilsbegründung genau anschauen und dann die Situation beurteilen, ob die Integration einer Dashcam sinnvoll ist”, sagte ein Manager.

Wie reagiert die Politik?

Bei der großen Koalition stößt die Entscheidung auf Wohlwollen. „Das BGH-Urteil hat die Umstände des Einzelfalls gewürdigt und ist aus meiner Sicht zu einem vernünftigen und lebensnahen Ergebnis gekommen“, sagte Unionsfraktionsvize Stephan Harbarth.

Amtskollegin Eva Högl (SPD) ist ebenfalls zufrieden. „Das Urteil des Bundesgerichtshofs, dass Aufnahmen von Dashcams bei Unfällen im Einzelfall als Beweise im Gerichtsprozess verwendet werden können, begrüße ich ausdrücklich“, sagte sie. Digitale Aufnahmen solcher Minikameras würden damit einen wichtigen Beitrag zur Rekonstruktion von Unfällen und damit zur Klärung der Schuldfrage leisten können. Weil der BGH permanente Aufzeichnungen durch die Dashcams für unzulässig erklärt hat, verwies Högl auch auf die neue EU-Datenschutzgrundverordnung. „In die gleiche Richtung geht die ab dem 25. Mai 2018 anzuwendende Datenschutzgrundverordnung, die sowohl eine Abwägung der Interessen im Einzelfall vorsieht als auch den Ansatz ‚Datenschutz durch Technik und Voreinstellungen‘ verfolgt“, sagte Högl. Der Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar kritisierte die Entscheidung: „Jeder Verkehrsteilnehmer muss damit rechnen, von Sensoren und Kameras zu jeder Zeit überwacht zu werden.“ Man stehe am Anfang einer Entwicklung, die darauf zuläuft, das Leben einer permanenten sozialen Kontrolle durch technische Systeme zu unterwerfen. „Der Weg in eine Welt der umfassenden digitalen Verkehrsüberwachung ist so vorgezeichnet“, sagte Caspar.

Will die Regierung den Herstellern gesetzliche Vorgaben machen?

Handlungsbedarf sehen die Fachpolitiker bei Union und SPD derzeit nicht. Ob sich aus dem Urteil Konkretisierungsbedarf ergebe, werde man prüfen, wenn die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, sagte SPD-Fraktionsvize Eva Högl. Auch Harbarth gab sich zurückhaltend: „Ich sehe nach dem Urteil des BGH keinen unmittelbaren gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Wir werden uns die weitere Entwicklung aber genau anschauen“, sagte er.

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