MIGRATION Was Seehofer durchsetzen will

Berlin · Das Bundeskabinett hat drei weitere Gesetze auf den Weg gebracht. Vor allem die neue Härte durch Abschiebehaft und Geldentzug stößt auf Kritik

 Erklärungen aus dem Innenministerium: (von links) Abteilungsleiter Ulrich Weinbrenner, Staatssekretär Helmut Teichmann und Minister Horst Seehofer.

Erklärungen aus dem Innenministerium: (von links) Abteilungsleiter Ulrich Weinbrenner, Staatssekretär Helmut Teichmann und Minister Horst Seehofer.

Foto: dpa

Die Empörung ist groß über Verschärfungen bei der Abschiebung und Veränderungen bei der Migration. Worum geht es im Einzelnen? Und wo gibt es Probleme? Auch in der Unionsfraktion gibt es Unzufriedenheit mit dem eigenen Innenminister. Doch Horst Seehofer (CSU) glaubt, dass das Paket nun das ist, was in der Koalition mit der SPD zu erreichen ist. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Warum verschärft die Koalition den Abschiebekurs?

Horst Seehofer hält es für nicht hinnehmbar, dass es im vergangenen Jahr mehr gescheiterte (31 000) als gelungene (26 000) Abschiebungen gab. Vor dem Hintergrund, dass zu den jetzt schon 240 000 abgelehnten Asylbewerbern mit Ausreisepflicht in den nächsten Monaten 230 000 weitere hinzukommen könnten, hat der Innenminister die Einrichtung von mehr Abschiebehaftplätzen verlangt. Statt 480 sollen es künftig 1000 sein. Die dafür zuständigen Länder wehren sich gegen die Übergangsvariante, in den nächsten drei Jahren Abzuschiebende auch in regulären Haftanstalten unterzubringen, damit sie nicht mehr untertauchen können. Die Gefängnisse seien jetzt schon voll. Außerdem sei die Gleichbehandlung mit Straftätern verboten.

Was passiert mit denen, die Abzuschiebende warnen?

Sie machen sich künftig strafbar, wenn es sich um Behördenmitarbeiter handelt. Hilfsorganisationen befürchten, dass auch ihre Aktivisten wegen Beihilfe belangt werden können. Eine unmittelbare Strafandrohung ist derzeit noch nicht im Gesetz enthalten.

Was wird aus den Flüchtlingen aus anderen EU-Staaten?

Die so genannten Dublin-Fälle unter den Asylbewerbern, die zuvor bereits in einem anderen EU-Staat ein Verfahren begonnen haben, sollen mit finanziellem Druck zu einer freiwilligen Rückkehr in das Ersteinreiseland bewegt werden. So wie es die Zuständigkeit nach dem Abkommen von Dublin vorschreibt. Die Sozialleistungen werden für sie minimiert, für jenen Teil unter ihnen, der Schutz bereits in einem anderen Staat hat, gibt es auch kein „Taschengeld“ mehr, sondern, wie Kritiker zynisch anmerken, nur noch „ein Lunchpaket mit Rückfahrkarte“.

Wem droht außerdem zusätzlicher Druck?

Wer sich einer Anhörung in der Botschaft seines Herkunftsstaates verweigert, kann in „Mitwirkungshaft“ genommen und zwangsweise vorgeführt werden, um das Abschiebungsverfahren zu beschleunigen. Ausnahmen gelten für Flüchtlinge, denen ein Kontakt mit den Behörden ihres Heimatstaates nicht zugemutet werden kann. Wirken Flüchtlinge nicht an ihrer Identitätsfeststellung mit oder täuschen sie die Behörden, erhalten sie einen geringeren Duldungsstatus. Dann entfällt die Arbeitserlaubnis, es droht ein Bußgeld und es gibt weniger finanzielle Unterstützung. Außerdem können sie nicht mehr hoffen, nach langem Ausharren in Deutschland automatisch ein Bleiberecht zu erhalten. Die Zeit in diesem Sonderduldungsstatus wird nicht mehr angerechnet.

Gibt es für Schutzsuchende auch Verbesserungen?

Ja, die Leistungen für Asylbewerber werden allgemein angepasst. So steigt der Satz für den persönlichen Bedarf für Alleinstehende und Alleinerziehende von 135 auf 150 Euro. Einiges wird von Geld- auf Sachleistungen umgestellt, und wer in Sammelunterkünften wohnt, erhält auch weniger. Zugleich sollen alle Asylbewerber unabhängig von ihrem Status Anspruch auf berufsorientierte Sprach- und Integrationskurse bekommen. Das will die Unionsfraktion noch abändern. Damit hier auf Umwegen kein zusätzliches Abschiebehindernis entsteht, will sie die Kurse auf diejenigen beschränken, die eine Bleibeperspektive haben.

Wie steht es um die praktischen Auswirkungen der Gesetze?

Die Kritik von Linken, FDP und Grünen ist massiv. Sie verweisen auf starke Bedenken auch von SPD- und CSU-Justizministern auf Landesebene und sind an vielen Koalitionen in den Bundesländern beteiligt. Die aber haben wesentlichen Anteil an der Umsetzung der Gesetze. Das spricht nicht dafür, dass mit der Verabschiedung der Gesetzesentwürfe im Kabinett bereits der große Durchbruch gelungen ist. Viel hängt von den nachfolgenden Verhandlungen in den Koalitionsfraktionen, im Bundestag und im Bundesrat ab. Und dann natürlich davon, dass die Bundesländer auch abschieben. Seehofer hält manche Hinweise, etwa auf fehlende Dokumente, für „vorgeschoben“. Tatsächlich wollten einige Koalitionsparteien in den Ländern keine Abschiebungen.

Was passiert mit dem leichteren Zugang ausländischer Fachkräfte?

Das Vorhaben war zwar von der Bundesregierung bereits als Entwurf beschlossen, von der Unionsfraktion aber vor den Beratungen im Bundestag gestoppt worden. Erst wollte Schwarz von Rot das Okay auch für das Gesetz zur geordneten Rückkehr. Die Voraussetzung gilt nun auch in den Augen der Union als erfüllt, so dass nun alle vier Gesetze (Fachkräftezuwanderung, Abschiebung, Asylbewerberleistungen, Deutschkurse) in die parlamentarischen Beratungen geschickt werden. Die Koalition geht davon aus, alles bis zur Sommerpause beschlossen zu haben – zumindest im Bundestag.

Wie weit hat Seehofer nun seinen „Masterplan“ ab gearbeitet?

Nach einer internen Liste des Innenministeriums sind hinter 53 von ursprünglich 63 Punkten grüne Haken gesetzt, weil die Stichpunkte bereits umgesetzt seien oder sich bereits auf dem Weg der Beschlussfassung befänden. Unter den erst in der Vorbereitung steckenden Plänen sind unter anderem die intensivere Schleierfahndung und die Etablierung „sicherer Orte“ in den Transitländern.

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