US-Bundesstaaten Wähler zum Aussuchen

WASHINGTON · Neue Wahlgesetze in US-Bundesstaaten: Viele Staaten erschweren den Zugang zur Wahlurne. Nathaniel Persily sagt, die Auswirkungen seien so, als würde man "eine Fliege mit einer Bazooka erledigen wollen - der Kollateralschaden wird groß sein". Der Experte der Columbia-Universität in New York meint die in rund 20 ausnahmslos von Republikanern geführten US-Bundesstaaten verabschiedeten schärferen Wahl-Gesetze.

 Wenn die demokratische Partei nicht bald aufwacht, könnten dem amtierenden US-Präsidenten Obama viele wichtige Wählerstimmen verloren gehen.

Wenn die demokratische Partei nicht bald aufwacht, könnten dem amtierenden US-Präsidenten Obama viele wichtige Wählerstimmen verloren gehen.

Foto: dpa

Nicht nur, dass sie die Wähler-Registrierung (ohne geht eh nichts) und die Stimmabgabe weit vor dem Urnengang ("early voting") einschränken - für rund fünf Millionen Amerikaner wird die Teilnahme an der Wahl am 6. November "nahezu unmöglich gemacht", hat das "Brennan Center of Justice" der Universität von New York festgestellt. Wie? Indem die Behörden kostspielige Fotoausweispflichten einführen, die noch vor Jahren kein Thema waren.

Und das geht so: Amerikaner haben keine Personalausweise nach deutschem Muster. Bei Behördengängen reichen der Führerschein, die Sozialversicherungsnummer oder ein anderes Papier aus, das Existenz und Wohnsitz nachweist, um die wichtigste Dinge zu erledigen.

Die nach den Halbzeitwahlen im Kongress 2010 vielerorts mit neuen republikanischen Mehrheiten verabschiedeten Wahlgesetze schreiben nun vor, dass Otto Normalwähler einen mit Foto ausgestatteten Ausweis (Voter-Identification) vorweisen muss, der in der Regel kostenlos ausgestellt wird. Und an dieser Stelle wird es, wie es im Justizministerium heißt, "tricky".

Den Pass mit Bild gibt's nur, wenn der Antragssteller eine beglaubigte Geburts- oder Heiratsurkunde beibringen kann. Die wiederum kostet bis zu 25 Dollar und ist gerade in ländlichen Gebieten im Süden nicht in jeder Kleinstadt zu haben. Die Forscher vom "Brennan Center" haben ermittelt, dass Hunderttausende meilenweit für das Dokument fahren oder gehen müssten.

Mit dem Bus oder zu Fuß, weil vor allem Schwarze, Alte, sozial Schwache und Latinos aus finanziellen Gründen oft kein Auto besitzen - und darum auch keinen Führerschein. Genau diese Klientel aber hat 2008 mit überwältigenden Anteilen Obama gewählt.

Das soll sich nicht wiederholen, finden Republikaner und geben wie der Abgeordnete Mike Turzai in der Volksvertretung von Harrisburg/Pennsylvania zu, worum es ihnen eigentlich geht: um Abschreckung. Besagte Wählerschichten sollen am besten zuhause bleiben. Turzai unverblümt: "Das Fotoausweis-Gesetz wird es Gouverneur Mitt Romney erlauben, in Pennsylvania zu gewinnen."

Charles Blow, Kolumnist der "New York Times", erinnert dieses Gebaren an düstere Zeiten der Rassentrennung, die keine 50 Jahre zurückliegen. Damals mussten, um nur eine Schikane zu nennen, Schwarze in den USA Kopfsteuern ("pull tax") entrichten, um wählen zu dürfen. Viele blieben den Urnen fern.

Blow appelliert an die Demokraten: "Wenn sie nicht bald aufwachen, könnte diese Wahl gestohlen werden." Justizminister Eric Holder, selbst Schwarzamerikaner, kann der Argumentation des "Brennan Centers" viel abgewinnen; wonach die neuen Wahlgesetze eine "schwere Belastung für ein elementares Verfassungsrecht sind, das universell jedem Bürger zusteht".

Ob die Klage der Regierung in Washington vor dem Obersten Gerichtshof gegen den Bundesstaat Pennsylvania vor dem 6. November zum Erfolg führt, ist allerdings ungewiss. Zumal die Republikaner in die Offensive gehen und die Gesetze offensiv verteidigen.

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