Zivilschutz Vorratshaltung wie im Kalten Krieg

Berlin · Krisen in der Welt und Deutschlands Rolle darin erhöhen das allgemeine Risiko. Die Bevölkerung soll sich vorbereiten - auch mit Vorratskäufen.

Es ist harter Stoff, mit dem die Bundesregierung die Bevölkerung in dieser Woche konfrontiert. Denn den meisten Menschen hierzulande dürften trotz aller alarmierenden Berichte die globalen Krisen doch hinreichend weit entfernt erscheinen, um daraus keine Kriegsgefahr für Deutschland abzuleiten.

Nun aber legt die Bundesregierung mit der bisher vertraulichen „Konzeption Zivile Verteidigung“ einen Plan vor, dessen Entwurf dieser Zeitung vorliegt und der alle Möglichkeiten kriegerischer Angriffe durchspielt, die man sich vorstellen kann: von der atomaren Bedrohung über einen biologischen oder chemischen Angriff bis hin zu einem Cyberangriff auf kritische Infrastruktur wie die Wasser- oder Stromversorgung. Auch die Frage, wo Regierungsstellen und Kulturgüter in einem solchen Ernstfall untergebracht werden können, wird neu gestellt.

All diese Szenarien schienen lange Zeit der Vergangenheit anzugehören. In den 1990er Jahren, nach dem Ende des Kalten Krieges, wurde der Zivilschutz zunächst zurückgefahren, das dafür zuständige Bundesamt wurde abgeschafft. Nach den Terrorattacken von 2001 und dem Elbhochwasser 2002 besann man sich und koordinierte den Katastrophenschutz neu.

Ziel war allerdings damals vor allem eine bessere Unterstützung der Länder durch den Bund bei der Vorbereitung auf Großschadenslagen in Friedenszeiten. Dazu wurde 2004 das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe neu geschaffen. Katastrophenschutzübungen orientierten sich an den damals neuen Bedrohungslagen: Terrorattacken auf Sportveranstaltungen oder Weihnachtsmärkte, Angriffe mit gefährlichen Krankheitserregern oder chemischen Bomben. Krieg stand nicht mehr auf der Agenda.

Bereits 2012 gab der Haushaltsausschuss des Bundestags das nun vorliegende Gesamtkonzept für den Zivilschutz in Auftrag und kam damit einer Aufforderung des Bundesrechnungshofes nach, der sich an der unklaren Aufteilung der Finanzierung störte. Seitdem eskalierte der Krieg in Syrien, breitete sich der IS aus, annektierte Russland die Krim. Dies alles floss nun in das Konzept ein, das sich deshalb als logische Konsequenz aus dem neuen Weißbuch der Bundeswehr versteht, in dem ein Angriff auf Deutschland zwar unwahrscheinlich genannt, aber eben auch nicht mehr ausgeschlossen wird.

Die Bewältigung der Folgen eines Krieges im Verteidigungsfall ist allein Aufgabe des Bundes, Katastrophenschutz in Friedenszeiten ist Ländersache. Allein schon diese Kompetenzaufteilung berge nun Risiken, die minimiert werden müssten, heißt es in diesem Papier. Denn sogenannte „hybride Bedrohungen“ und immer kürzere Vorwarnzeiten machten es mitunter unmöglich, angemessen schnell den Verteidigungsfall ausrufen zu können und somit den Bund und seine Krisenkräfte ins Spiel zu bringen. Unter hybriden Bedrohungen werden Attacken verstanden, bei denen „die Zurechenbarkeit entsprechender Handlungen zu staatlichen Akteuren“ schwer zu erkennen ist, etwa bei Cyber- oder Sabotageattacken.

Die Meldung allerdings, wonach die Bundesregierung jetzt erstmals seit dem Ende des Kalten Krieges wieder dazu aufrufe, Vorräte anzulegen, ist nicht ganz richtig. Denn für den Fall einer Katastrophe sind die Menschen bisher schon angehalten, Vorräte anzulegen. Wieder aufgenommen werden hingegen unter anderem Überlegungen, wie Gebäude vor Angriffen geschützt werden können. So sollen „Maßnahmen zur Härtung der Bausubstanz von Wohn- und Arbeitsgebäuden vom Bund empfohlen, gefördert oder verpflichtend vorgegeben“ werden, heißt es. An neue Bunkerbauten wird nicht gedacht. Die flächendeckende Bereitstellung öffentlicher Schutzräume sei nicht realisierbar.

Die Verfasser des Papiers fordern, die Bevölkerung über die neuen Risiken schonungslos aufzuklären. Am Mittwoch will Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) diesen Diskurs mit der Vorstellung des Konzepts eröffnen.

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