Kommentar zur Verstärkung der Bundeswehr Von der Leyens Mission

Meinung | Bonn · Auch wenn unterschiedliche Armeen nur bedingt vergleichbar sind: Schon der Blick auf andere europäische Mächte wie Großbritannien und Frankreich zeigt ein Missverhältnis.

 Soldaten des Logistikbataillons 171 beim Rückkehrerappell der Bundeswehr in der Clausewitz-Kaserne in Burg (Kreis Jerichower Land).

Soldaten des Logistikbataillons 171 beim Rückkehrerappell der Bundeswehr in der Clausewitz-Kaserne in Burg (Kreis Jerichower Land).

Foto: dpa

Das französische Militär umfasst rund 245 000 Soldatinnen und Soldaten, die britische Armee 230 000. Selbst wenn die Bundeswehr die Truppenzahl in den kommenden sieben Jahren um die von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen angestrebten 14 300 Soldaten aufstocken würde, wäre sie mit dann gut 191 000 Soldaten immer noch eine kleine Armee, wenn man Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft der Bundesrepublik als Bezugsgröße nimmt. Zur Erinnerung: 1990, nach der Wiedervereinigung, zählten die deutschen Streitkräfte 600 000 Mann. Die Schrumpfkur, die die Truppe in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten erlebte, war einschneidend. Aus heutiger Sicht: zu einschneidend.

Ja, die vom Ende des Kalten Krieges erwartete Friedensdividende gab es. Die gepanzerten Massenheere der Ost-West-Konfrontation sind obsolet, hoffentlich für alle Zeiten. Aber die Erwartung, dass sich mit dem Fall des Eisernen Vorhangs zwischen- und innerstaatliche Konflikte in der Regel auf dem Verhandlungsweg würden lösen lassen, hat sich als Illusion erwiesen.

Im Gegenteil: Die Zahl der Fragen, die auch eine militärische Antwort erfordern, hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Der Kampf gegen den militanten Islam, die neue Herausforderung durch ein expansives Russland, robuste Einsätze gegen Piraten oder Rebellen, die Dritte-Welt-Staaten in ihrem Bestand bedrohen, humanitäre Unterstützungsmissionen: Die Anforderungen an die Bundeswehr gehen über die Aufgabe der Landesverteidigung längst hinaus. Auch wenn Auslandseinsätze der Bundeswehr bei den Deutschen regelmäßig auf herzliche Ablehnung stoßen – keine unsympathische Einstellung im Übrigen –, muss die Mittelmacht Bundesrepublik ihre nicht weniger werdenden militärischen Verpflichtungen erfüllen.

Dass die Verteidigungsministerin die Streitkräfte zu diesem Zweck auch zahlenmäßig aufstocken will, ist folgerichtig. Ob sie das Personal dafür findet, eine ganz andere Frage. Als Arbeitgeber ist die Bundeswehr trotz aller Hochglanz-Imagekampagnen alles andere als erste Wahl, der Wettbewerb um geeignete Bewerber wird in den kommenden Jahren eher schärfer. Die Härten und Gefahren von Auslandseinsätzen schrecken viele junge Menschen ab. Das öffentliche Bild der Truppe ist zudem geprägt vom ständigen Ärger um die Ausrüstung – im Kleinen (Sturmgewehr G36) wie im Großen (Transportflugzeug A400M). Nicht eben eine Visitenkarte für die Bundeswehr.

Schon jetzt ist klar: Um einer ausreichenden Zahl von Rekruten den Dienst an der Waffe schmackhaft zu machen, wird von der Leyen viel Geld in die Hand nehmen müssen.

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