Brüder Chouka Von Kessenich aus in den heiligen Krieg

BONN · Sie sind mittlerweile die bekanntesten islamistischen Gotteskrieger aus Deutschland, die aus Kessenich stammenden Brüder Yassin, 27, und Mounir Chouka, 30. Wie kein anderer deutscher "home-grown terrorist", ein hierzulande aufgewachsener Terrorist, verbreiten die beiden Deutsch-Marokkaner über das Internet Propaganda-Videos.

Noch vor wenigen Tagen tauchte eine Audiobotschaft auf, in der Yassin Chouka alias Abu Ibraheem an Gleichgesinnte in Deutschland appelliert, "alle Mitglieder von Pro NRW zu töten". Auch "Mitarbeiter der deutschen Medien", die mit Fotos über die Anti-Islam-Plakate und die damit einhergehenden Beleidigungen des Propheten Mohammed berichteten, müssten getötet werden.

Damit hat die jüngste Botschaft aus dem pakistanischen Waziristan, das als Hochburg der Taliban und Rückzugsgebiet von Al-Kaida gilt und wo sich die Chouka-Brüder aufhalten, eine neue Qualität der Bedrohung. Denn bislang hetzten die beiden eher allgemein dazu auf, den Dschihad durch Terroranschläge auch nach Deutschland zu tragen. Die Sicherheitsbehörden sind in Alarmbereitschaft versetzt und sprechen von einer "ernsthaften Gefährdungslage".

2007 machten sich die beiden jungen Männer auf ihre Reise in den Kampf. Wen sie auf ihrem Weg kennen lernten, darüber gaben sie vor gut einem Jahr recht ausführlich Auskunft: In einem auf Deutsch verfassten Schreiben, das auf einschlägigen Seiten im Internet zu lesen war, schildern sie nicht ohne Pathos, dass beispielsweise der 2011 von den Amerikaner getötete Anwar al-Awlaki im Jemen ihr Freund wurde. Er galt als Anwerber für Al-Kaida.

Vom Jemen aus führte sie die Reise über Afghanistan nach Pakistan, wo sie sich der Al-Kaida nahe stehenden Gruppierung "Islamische Bewegung Usbekistan" anschlossen, die im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet gegen die Amerikaner und ihre Verbündeten kämpft. Noch im Oktober 2011 machte das Schweizer Paar David Och und Daniela Widmer einem Bericht des "Spiegel" zufolge Bekanntschaft mit Mounir Chouka: Er drehte ein Erpresservideo mit den beiden Polizisten, die auf einer Weltreise in Pakistan entführt wurden und acht Monate lang in Todesangst lebten. Auffallend sei dabei gewesen, wie professionell der Deutsche mit der Kamera umging und beim Filmen viel Wert auf "Dramatik" legte, so die Schweizer.

Dass aus den Chouka-Brüdern, beide ehemalige Gymnasiasten, irgendwann einmal fanatische Gotteskrieger werden - damit hat wohl kaum jemand gerechnet. "Ich hätte überhaupt nicht gedacht, dass es so eine Wendung nimmt", sagt ein Bonner, der zu Schulzeiten mit Mounir und Yassin bei Fortuna Bonn gekickt hat.

"Ich dachte, ich spinne, als ich das Video gesehen habe." Mounir habe er nur am Rande gekannt. Er sei normal gewesen, habe irgendwann mit seinem älteren Bruder einen Friseurladen eröffnet. Zwischendurch habe Mounir auch Mist gebaut, zum Beispiel mit Drogen "getickt". Yassin sei immer "super witzig unterwegs gewesen".

Er habe auch "gesoffen wie nichts. Man hatte immer den Eindruck, dass ihm das westliche Leben echt viel Spaß macht." Mit 18 Jahren wechselte Yassin dann den Verein und spielte in Oedekoven Fußball. Von da an hätten sie sich aus den Augen verloren. Umso erstaunlicher dann die letzte Begegnung 2005: "Da kam Yassin noch mal vorbei - mit Bart und langem Gewand. Da war schon klar, dass er eine Veränderung durchgemacht hat. Aber er hat ganz normal gegrüßt und wollte mal gucken, wie's uns geht."

Besonders schwierig sei die Situation wohl auch für die Eltern und den ältesten der drei Brüder. Die Eltern seien "super nett. Die haben bestimmt nicht damit gerechnet, was mit zwei ihrer Söhne passiert". Als das erste Video veröffentlicht wurde, habe der Vater auf der Straße weggeschaut. "Man hat gemerkt, dass er ein super schlechtes Gewissen hatte. Aber ich habe einfach normal gegrüßt und so getan, als wäre nichts." Mittlerweile verhalte sich der Vater wieder ganz normal. "Es ist ja auch krass. Die beiden wissen ja, dass sie ihre Söhne wohl nie wiedersehen werden."

In der Tat sieht auch Mounir Chouka die Rückkehr nach Deutschland als unwahrscheinlich an. "Dieses Schiff ist gesunken", sagte er dem Schweizer Paar. Denn bei ihrer Rückkehr nach Deutschland würden er und sein Bruder sofort verhaftet. Und wenn das jüngste Gerücht stimmt, wird Mounir in der Tat nicht zurückkehren: "Ich habe gehört, er wäre tot", so sein früherer Bekannter.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort