Porträt Vom Präsidentensessel auf die Anklagebank

Puebla · Cristina Kirchner kämpft in Argentinien um ihr Erbe. Die Justiz hat ein Korruptionsverfahren gegen sie eingeleitet und Vermögen im Wert von umgerechnet 650 Millionen Euro eingefroren.

 Gegen sie wurde ein Korruptionsverfahren eingeleitet: Argentiniens ehemalige Präsidentin Cristina Kirchner.

Gegen sie wurde ein Korruptionsverfahren eingeleitet: Argentiniens ehemalige Präsidentin Cristina Kirchner.

Foto: dpa

Im Rampenlicht stand Cristina Kirchner immer gerne, ob als Anwältin, als streitbare Parlamentarierin oder als glamouröse Präsidentin Argentiniens. Seit einigen Tagen nun ist die 63-Jährige wieder im Zentrum der Aufmerksamkeit – diesmal in einer neuen Rolle: als Angeklagte. Die Justiz hat ein Korruptionsverfahren gegen Kirchner eingeleitet und Vermögen im Wert von umgerechnet 650 Millionen Euro eingefroren.

Vorwürfe gegen sie und ihren verstorbenen Ehemann, Expräsident Nestor, gab es schon seit über zehn Jahren; immer wieder veröffentlichte die Presse neue Zahlen über die wundersame Vervielfachung des Vermögens der Familie und zahlreicher Minister und sonstiger Vertrauter. Doch nun – ein Jahr nach dem Ende der Präsidentschaft Cristinas - scheinen die Ermittler genügend handfeste Beweise für einen Prozess gesammelt zu haben. Die Kirchners hätten Staatsaufträge systematisch gegen Bestechungsgelder an ihnen verbandelte Unternehmer vergeben, heißt es. Die Aufträge liefen demnach über den Schreibtisch des ebenfalls angeklagten Planungsministers Julio De Vido, der zwischen 2003 und 2015 in dieser Funktion tätig war. Der begünstigte Unternehmer Lázaro Baez stieg innerhalb weniger Jahre vom Bankangestellten zum millionenschweren Unternehmerkönig auf.

Cristina Kirchner reagierte, wie es ihre Art ist: Das ganze sei eine Erfindung, eine politisch motivierte Kampagne wie zu Zeiten der Diktatur, schrieb sie auf ihrem Twitter-Konto. Sie sei fest entschlossen, den Prozess als Plattform für ein politisches Comeback zu nützen, glauben politische Beobachter. Auszuschließen ist das nicht. Ihr Nachfolger, der bürgerliche Unternehmer Mauricio Macri, hat mit einer schleppenden Konjunktur zu kämpfen; seine Reformen brachten nicht den erhofften Aufschwung, belasteten aber durch Erhöhungen der Tarife für Strom und Transport das Budget der Bürger und drückten seine Popularität in den Keller. Cristina wurde nach Macris Sieg von den Medien vorschnell für abgehalftert erklärt. Doch sie gilt als kluge, machtbesessene Kämpferin, die schon einige schwere Prüfungen durchgestanden hat wie den Agrarstreik 2008, die Niederlage bei den Parlamentswahlen 2009 und den Tod ihres Mannes 2010.

Die beiden hatten sich in den 70er Jahren beim Jurastudium in Buenos Aires kennengelernt. Vor der Militärdiktatur flohen sie ins abgelegene Patagonien, wo ihr Mann – Nachfahr Schweizer Einwanderer – als Provinzpolitiker Karriere machte. Die schlimmste Krise Argentiniens, nach Zahlungsunfähigkeit und Unruhen, katapultierte Nestor im Jahr 2003 an die Macht. Cristina galt als treibende Kraft hinter ihrem eher linkischen, schlecht gekleideten und immer mürrisch wirkenden Mann. Sie besetzte im Präsidentenpalast das gegenüberliegende Büro und sorgte als Senatorin im Kongress für geschlossene Reihen.

Die Kirchners verhandelten einen rigorosen Schuldenschnitt und machten sich die Aufarbeitung der Diktatur zu eigen, was ihnen große Popularität im linken Bürgertum verschaffte. Sie umgaben sich gerne mit progressiven Persönlichkeiten wie Michael Moore oder dem Ökonomen Joseph Stiglitz. Sie legten Sozialprogramme auf und verstaatlichten Unternehmen. Doch ihre Politik förderte auch die Umgestaltung der Landwirtschaft zu einer Soja-Monokultur; auch ausländischen Bergbaukonzernen wurden großzügig Konzessionen erteilt. Auf Kritik reagierte die brünette Juristin, die sich nur perfekt gestylt ablichten lässt und von den Medien den Beinamen „Königin Cristina“ erhielt, immer allergisch.

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