Streit in der Flüchtlingspolitik Vier gegen Merkel

Brüssel · Aufstand gegen die deutsche Flüchtlingspolitik: Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei wollen eine weitere Barriere gegen Flüchtlinge an der griechischen Grenze zu Mazedonien errichten. Wir die Balkan-Route dichtgemacht?

 Flüchtlinge auf dem Weg von Mazedonien zur serbischen Grenze: Ihre Route wollen osteuropäische Länder nun kappen.

Flüchtlinge auf dem Weg von Mazedonien zur serbischen Grenze: Ihre Route wollen osteuropäische Länder nun kappen.

Foto: picture alliance / dpa

Die heiße Phase hat begonnen. Wenige Tage vor dem Gipfeltreffen der europäischen Staats- und Regierungschefs am kommenden Donnerstag und Freitag tagten Montag die Spitzen Polens, Ungarns, Tschechiens und der Slowakei (als Gäste waren auch die Führungen Bulgariens und des Nicht-EU-Mitglieds Mazedonien eingeladen), um ihre Haltung gegen Merkels Linie in der Flüchtlingspolitik festzuklopfen.

Gleichzeitig warnte der Luxemburger Außenminister Jean Asselborn die vier Länder gestern, sie sollten kein „Verein der Abtrünnigen“ werden. Wenige Stunden vor dem Treffen der 28 Staatenlenker wird am Donnerstag in der Brüsseler Vertretung Österreichs die 13 Parteien starke „Koalition der Willigen“ mit Deutschland, Luxemburg, den Niederlanden, Schweden, der Alpenrepublik und anderen zusammenkommen, um ihre Position festzuklopfen. Kurz darauf treffen alle Kombattanten am Runden Gipfel-Tisch aufeinander. Gibt es eine europäische Lösung? Oder geht man zerstritten auseinander? Dabei zeigen die Planspiele der Experten ein besonderes Kuriosum: Egal was bei diesem Gipfel am Ende herauskommt – die Zahl der Flüchtlinge, die nach Mitteleuropa kommt, dürfte weiter spürbar zurückgehen.

Szenario 1: Die europäische Lösung setzt sich durch. Sie besteht aus vielen Einzelschritten: Unmittelbar nach dem Gipfel schließt Ankara die Grenzen, streicht drei Milliarden Euro zur Verbesserung seiner Flüchtlingslager ein, die den Menschen Jobs und Ausbildung sowie medizinische Betreuung sichern sollen. Schlepper haben immer geringere Chancen, weil die Nato die Seewege überwacht. Doch die Türkei fürchtet, nach den Bomben auf Aleppo von weiteren Hunderttausende von Flüchtlingen überrannt zu werden. Deshalb wollen Merkel und ihre Freunde Ankara versprechen, pro Jahr 300 000 Menschen zu übernehmen und sie auf die übrige EU zu verteilen. So könnte ein Rückstau verhindert werden. Außerdem sollen die Außengrenzen mit Hotspots und einer neuen 1500 Mann starken Einheit europäischer Polizisten verstärkt werden. Dass dieses Szenario wirken könnte, bestreiten nicht einmal seine Gegner. Aber sie wehren sich gegen Aufnahmekontingente und die Verteilung auf alle Mitgliedstaaten.

Szenario 2: Die europäische Lösung scheitert. Merkels schärfste Gegner heißen Viktor Orbán (Premier von Ungarn) und Robert Fico (Präsident der Slowakei). Sie lehnen zwar den Deal mit der Türkei ab. Viel wichtiger aber ist ihnen, die Grenze zwischen Mazedonien und Griechenland zu schließen, weil Athen zur einem Schutz der EU-Außengrenze nicht in der Lage sei. Schon jetzt stehen ungarische und slowakische Polizisten an der Grenze zu den Hellenen, weitere Beamte aus Polen und Tschechien sollen folgen. Das Problem dieser Lösung: Zwar wäre die Balkanroute geschlossen, es käme aber zu einem Rückstau der Flüchtlinge auf griechischem Gebiet, was das ohnehin instabile Land restlos überfordern würde. Athen dürfte, so spekuliert man, zu einem willfährigen Opfer Russlands und seiner Finanzspritzen werden, was zu einer weiteren Spaltung der EU führen könnte. Dennoch würde ein „Korken“ auf der Balkanroute alle Länder, die an diesem Fluchtweg liegen, entlasten.

Die Befürchtungen der Visegrad-Länder haben aber noch einen weiteren Grund, über den nicht oft gesprochen wird: Sie fürchten nicht nur den Zustrom von Flüchtlingen aus Syrien, sondern auch von Asylbewerbern aus dem Osten. Allein in der Ukraine, so heißt es, seien derzeit rund 1,5 Millionen Menschen auf der Flucht.

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