Maut-Konzept Viel Ärger ums "Pickerl"

BERLIN · Also doch. Alexander Dobrindt hat noch geliefert. Wie angekündigt, vor der Sommerpause. Der Bundesverkehrsminister steht im riesigen Lichthof seines Ministeriums und präsentiert einen Plan, nein, seinen Plan, wie er einen Wahlkampfschlager der CSU zu Gesetz und zu Geld machen will.

Also doch. Alexander Dobrindt hat noch geliefert. Wie angekündigt, vor der Sommerpause. Der Bundesverkehrsminister steht im riesigen Lichthof seines Ministeriums und präsentiert einen Plan, nein, seinen Plan, wie er einen Wahlkampfschlager der CSU zu Gesetz und zu Geld machen will. Der geht so: Ab dem 1. Januar 2016 sollen alle Pkw-Lenker, die mit ihren Autos über deutsche Straßen rollen, eine sogenannte Infrastrukturabgabe bezahlen, sichtbar als Vignette an der Frontscheibe jedes Autos. Dobrindt will so pro Legislaturperiode durch im Ausland zugelassene Kfz netto 2,5 Milliarden Euro frisches Geld für Unterhalt und Bau des deutschen Straßennetzes einspielen.

Für jährlich 170 Millionen Fahrten ausländischer Fahrzeuglenker nach und durch Deutschland, die bislang mautfrei über deutsche Autobahnen und Bundesstraßen fahren, will CSU-Mann Dobrindt eine "Gerechtigkeitslücke" schließen. Für deutsche Fahrzeughalter, das ist der Trick, soll im Gegenzug die Kfz-Steuer reformiert, präziser: gesenkt werden. Es soll dann, abgestuft nach Hubraum, Kubikmeter-Freigrenzen geben.

Ob Dobrindts Plan am Ende wirklich aufgeht, ist auch eine Frage für Juristen. Nach dem Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD soll die Nutzerfinanzierung "unseres Autobahnnetzes" über eine Vignette von Ausländern so erhoben werden, dass erstens kein Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet wird, und zweitens die Regelung "EU-rechtskonform" erfolgt. Weder CDU noch SPD wollten die Pkw-Maut für Ausländer wirklich, mussten aber an dieser Stelle dem Beharrungsvermögen der Christsozialen nachgeben.

Karte: Vignetten-/Mautpflicht und andere Verkehrsinfos

Dobrindt gibt sich davon überzeugt, dass das von ihm jetzt vorgelegte Konzept nicht mit EU-Recht kollidiert. Begründung: Er erhebe eine Infrastrukturabgabe für alle - für In- wie für Ausländer, also keine Diskriminierung. Die Kfz-Steuer wiederum sei eine nationale Steuer, auf die die EU keinen Zugriff habe, und welche die Staaten in ihrem Sinne regelten. Dobrindt zitiert dazu eigens EU-Verkehrskommissar Siim Kallas , mit dem er sich zuletzt in der vergangenen Woche in Brüssel getroffen hatte. Demnach verstößt "die Senkung der Kfz-Steuer gebietsansässiger Nutzer" nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, weil die geplante Infrastrukturabgabe ja von allen Straßennutzern bezahlt werden solle.

Die Bundesländer, die wie die Kommunen an einem Teil der Mauteinnahmen interessiert sind, will der Bundesverkehrsminister aber mit ins Boot holen. "Ich habe Verständnis dafür, dass die Länder beteiligt werden wollen."

Dobrindts Infrastrukturabgabe soll für alle Bundes-, Landes- und Kommunalstraßen gelten. Deutsche Autofahrer sollen über einen Freibetrag bei der Kfz-Steuer entlastet werden. Autos wie beispielsweise Elektrofahrzeuge oder Fahrzeuge von Behinderten, die schon heute von der Kfz-Steuer befreit sind, werden "wirkungsgleich" auch von der Infrastrukturabgabe ausgenommen.

Für die Höhe der Vignette gelten nach Dobrindts Worten drei Kriterien: Baujahr des Fahrzeugs, Umweltfreundlichkeit und Hubraum. Der durchschnittliche Mautsatz für Ausländer soll demnach bei 88 Euro liegen. Ausländische Fahrzeuglenker können neben der Jahresvignette, wie sie für alle deutschen Autofahrer kommen wird, zudem eine Vignette für zehn Tage (zehn Euro) und zwei Monate (20 Euro) erwerben.

Die deutsche Zollgewerkschaft kritisierte den hohen bürokratischen Aufwand. SPD-Fraktionsvize Sören Bartol kündigte eine sorgfältige Prüfung an. NRW-Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) warnte vor den Folgen für NRW: "Als nächstes werden die Niederlande und Belgien Pläne für ihre Maut schmieden. Venlo oder Brügge wird es dann nicht mehr zum Nulltarif geben, und die Wirtschaft im kleinen Grenzverkehr wird ausgebremst." Die Grünen lehnten die Pläne ab. Die Vorschläge seien "unsinnig, ungerecht und (...) ein bürokratisches Monstrum", sagte Parteichefin Simone Peter.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort