Französische Präsidentschaftskandidaten Verstörender Schlagabtausch von Macron und Le Pen

Paris · Beim TV-Duell von Emmanuel Macron und Marine Le Pen erreicht die politische Debatte in Frankreich einen erschreckenden Tiefpunkt.

Der Wahlkampf geht in die Endphase: Plakate des sozialliberalen Kandidaten Emmanuel Macron und der Rechtspopulistin Marine Le Pen in Saint-Jean-de-Luz.

Der Wahlkampf geht in die Endphase: Plakate des sozialliberalen Kandidaten Emmanuel Macron und der Rechtspopulistin Marine Le Pen in Saint-Jean-de-Luz.

Foto: dpa

Man kannte Marine Le Pen schon als aggressive Wahlkämpferin, die ihre Gegner mit Häme und Verachtung zu überziehen pflegt und ein ähnliches Verhältnis zur Wahrheit hat wie US-Präsident Donald Trump – den sie bewundert. Doch was sich am Mittwochabend vor 16,5 Millionen Fernsehzuschauern abspielte, zeigte, in welche Untiefen dadurch das Niveau der politischen Diskussion in Frankreich gesunken ist.

Das TV-Duell zwischen ihr und ihrem Rivalen bei der französischen Präsidentschaftswahl, Emmanuel Macron, geriet zu einem chaotischen Austausch von Gehässigkeiten, der keinen Vergleich von Programmen zuließ. „Ihre Argumente sind doppelt so alt wie Sie“, griff die Rechtspopulistin Macron persönlich an, den sie wahlweise als „Schätzchen des Systems und der Eliten“, „eiskalten Geschäftsbanker“ und „Kandidaten der ungezügelten Globalisierung“, der sich Deutschland unterwerfe, bezeichnete. „Frankreich wird so oder so von einer Frau gelenkt werden: von mir oder Frau Merkel“, so Le Pen.

Systematisch machte sie den 39-Jährigen für das Handeln der sozialistischen Regierung verantwortlich, der er zwei Jahre als Wirtschaftsminister angehörte und brachte dabei, hektisch in ihren Akten blätternd, den Verkauf zweier Unternehmen durcheinander. „Sprechen wir jetzt von SFR oder von Alstom?“, erwiderte Macron. „Die einen machen Telefone, die anderen Turbinen. Sie verwechseln die beiden Dossiers, das ist traurig für Sie, weil es zeigt, wie unvorbereitet Sie sind.“

Zwar konterte er zumeist schlagfertig, ließ sich aber auch provozieren. Wortreich ging er auf Le Pens Angriffe ein, anstatt gelassen über ihren pauschalen Anschuldigungen zu stehen. Sie gebe permanent „Dummheiten“ und „Lügen“ von sich, klagte er, spiele „auf abstoßende Weise“ mit den Ängsten und der Wut der Menschen, stehe für Spaltung statt Einheit: „Madame Le Pen, Frankreich verdient Besseres.“ Die beiden Journalisten, die die Debatte eigentlich moderieren sollten, zeigten sich völlig überfordert. Weder bremsten sie Le Pen, wenn diese Macron mit Zwischenrufen, Grimassen und boshaftem Gelächter aus der Fassung zu bringen versuchte, noch konnten sie seinen Wortschwall stoppen.

Der unabhängige Kandidat versuchte, sachlich seine Pläne von der Förderung von Schülern in sozialen Brennpunkten bis zum Umbau der Arbeitslosenversicherung zu erläutern; Le Pen hingegen vermochte ihre zuletzt widersprüchlichen Aussagen über den Kalender eines möglichen Ausstiegs aus der Euro-Zone oder einer Rückkehr zur Rente mit 60 im Falle ihrer Wahl nicht zu erklären.

Indem sie stets ihren Gegner frontal angriff, auch wenn sie zu ihrem eigenen Programm befragt wurde, schien sich die 48-Jährige bereits in der Opposition einzurichten. Sie zielte darauf ab, Macron maximal zu schaden, dem in der Stichwahl am Sonntag ein Sieg mit rund 60 Prozent der Stimmen vorausgesagt wird. Etwa zwei Drittel der Zuschauer hielten ihn am Ende der kräftezehrenden Debatte zwar für den überzeugenderen Kandidaten. Aber statt eines klaren Sieges für einen der beiden, so schreibt die Zeitung „Le Monde“, bleibe der Zuschauer „wie belämmert und mit bitterem Nachgeschmack in der Kehle“ zurück.

Man müsse mit der Front National debattieren, „auch wenn man sich ein wenig beschmutzt“, sagte Macron hinterher. Er habe oft an Jacques Chirac gedacht: Der konservative Ex-Präsident hatte 2002, als er neben Marine Le Pens Vater Jean-Marie in die Stichwahl einzog, ein Rededuell mit dem Rechtsextremen verweigert. Seiner Tochter wird nachgesagt, die Front National „normalisiert“ und das Image der Partei geglättet zu haben. Doch nun zeigte ihr Vorgehen, dass Marine Le Pen vom selben unkontrollierten Hass auf die Eliten und auf Minderheiten angetrieben wird wie ihr Vater. Wie er lehnte sie die Verantwortung an der Kollaboration mit den Nazis durch das Vichy-Regime ab: „Frankreich war in London“, sagte sie, also in der Résistance.

Nach den Universitätspräsidenten riefen am Donnerstag auch die Vertreter der protestantischen, der muslimischen und der jüdischen Glaubensgemeinden in Frankreich zur Wahl Macrons auf.

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