Flug MH 17 "Verantwortung? Wir?"

BANGKOK · Wrackteile der Boeing 777 von Malaysia Airlines Flug MH 17 qualmten noch im Getreidefeld der Ost-Ukraine, als Malaysias Premierminister Najib Razak im heimatlichen Kuala Lumpur vor die Kameras trat.

"Die Schuldigen müssen gefunden und bestraft werden", verlangte der Regierungschef, der sich erst im vergangenen Jahr mit ziemlich unsauberen Mitteln zum zweiten Mal in sein Amt hatte wählen lassen.

Der Sprössling eines früheren Premierministers reagierte schneller und nicht so unbeholfen, wie nach dem spurlosen Verschwinden von MH 370 vor vier Monaten. Nach der Boeing 777 mit 239 Personen an Bord wird immer noch gesucht. Damals manövrierte Najib seine Regierung binnen Stunden mit widersprüchlichen Aussagen, der anfänglichen Verweigerung ausländischer Hilfe und gefühlslosem Auftreten gegenüber den Angehörigen der Vermissten schnell in die Defensive.

Mit seiner schnellen Reaktion konnte Najib auch diesmal kritische Nachfragen nur vorübergehend unterdrücken,. Schließlich erscheint auch vielen Malaysiern unverständlich, dass Fluglinien wie Malaysia Airlines Routen über brisante Konfliktregionen nutzen, um Kosten zu sparen. Die Zeit genügte Najib freilich, um eine Verteidigungsstrategie zu entwickeln. "Wieso sollen wir schuld sein", hieß es bald aus Regierungskreisen, "wenn jemand die Verantwortung übernehmen muss, ist es die Flugkontrolle in Europa."

Empörung lautet das Motto Najibs. Malaysias Bürger wundert dies wenig. Schließlich ist Doppelzüngigkeit die Spezialität des Premierministers - und seine stete Weigerung, auch nur Mitverantwortung für Pleiten, Pech - und in einem Fall auch für den Mord an der bildhübschen 28-jährigen Mongolin Altantuya Shaaribuu - zu übernehmen.

Die Tochter eines Psychologieprofessors hatte für Najib und seinen engen Berater Abdul Razak Baginda bei einem U-Boot-Deal mit dem französischen Konsortium Armaris übersetzt, bei dem Kommissionen im Umfang von 114 Millionen US-Dollar flossen. Statt der jungen Frau das von ihr verlangte Honorar in Höhe von 500 000 US-Dollar zu zahlen, wurde sie von Polizisten erschossen und anschließend gesprengt, deren Spuren in die engste Umgebung von Najib reichen.

Najib, dessen Ehefrau der ruf einer eiskalten Geschäftsfrau vorauseilt, musste sich nie gründlichen Fragen von Malaysias Polizei stellen. Stattdessen leisten ihm die Beamten einen Gefallen nach dem anderen. So leitete die Polizei geschwind zum wiederholten Mal eine Untersuchung gegen den führenden Oppositionspolitiker Anwar Ibrahim ein. Der Vorwurf: Homosexuelle Betätigung, die in Malaysia unter Strafe steht.

Najib lässt sich nicht von dem Argument beeindrucken, dass seine Manöver durchsichtig sind. Im Gegenteil: Malaysia Airlines mag nach dem Tod von über 500 Menschen an Bord ihrer zwei verlorenen Flugzeuge am Rand des Ruins stehen. Aber der Abschuss des Flugzeugs in der Ukraine kommt ihm wie gerufen. Denn niemand kann Najib nun die Schuld anlasten.

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