Athens Finanzminister in der Krise Varoufakis wankt

BRÜSSEL · Das Ringen um Griechenland nimmt immer hektischere Züge an. Nach dem heftigen Streit, den sich der hellenische Finanzminister Gianis Varoufakis am Wochenende mit seinen europäischen Kolleginnen und Kollegen bei einer Klausurtagung in Riga geliefert hatte, verdichteten sich gestern in Athen und Brüssel die Anzeichen für eine baldige Ablösung.

"Der Mann tut uns nicht mehr gut", hieß es aus Kreisen der griechischen Verhandlungsdelegation, die gestern in der belgischen Hauptstadt zur nächsten Gesprächsrunde eintraf.

Ministerpräsident Alexis Tsipras begann denn auch mit ersten personellen Konsequenzen, die in Brüssel als Zeichen für eine schleichende Entmachtung seines umstrittenen Finanzministers gewertet wurden. So wurde der bisherige Varoufakis-Mann Nikos Theocharakis als Chefunterhändler für die Gespräche mit den Geldgebern durch den erfahrenen früheren Delegationsleiter Giorgos Chouliarakis ersetzt. "Ein rascher Fortschritt ist nötig", bekräftigte eine Sprecherin der Europäischen Kommission - aber davon ist wenig zu sehen. Zwar bemühte sich gestern Athens Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos, die Bedenken der Geldgeber zu zerstreuen. Er sagte die Rückzahlung aller gewährten Kredite zu. Und auch an der Mitgliedschaft seines Landes im Euro gebe es keine Zweifel.

Doch genau die werden immer größer. Bis zur nächsten Sitzung der Euro-Finanzminister am 11. Mai müssen die Vereinbarungen mit Griechenland stehen, dann sollen die Details bis Juni ausgehandelt werden. Bis dahin könnten die Hellenen noch durch kurzfristige Maßnahmen überstehen, hieß es in Brüssel. Auch wenn Vizekommissionspräsident Valdis Dombrosvkis am Wochenende schon angekündigt hatte, dass die Lage "dramatisch" sei.

Man werde die Prognose für Griechenland senken. "Im Winter haben wir 2,5 Prozent Wachstum erwartet. Unsere Frühjahrsprognose wird pessimistischer ausfallen." Tatsächlich hatte die Kommission noch vor dem Regierungswechsel zuversichtlich geklungen, sogar den Abbau des Schuldenberges auf 158 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung (derzeit 177 Prozent) für 2016 vorausgesagt.

Von diesem Optimismus ist nicht mehr viel übrig. Am späten Freitagabend musste Premier Tsipras das Parlament dazu bewegen, die staatlichen Betriebe und Einrichtungen zu zwingen, ihre Guthaben der Regierung zur Verfügung zu stellen, indem diese bei der Notenbank deponiert und gegen Schuldscheine mit 2,5 Prozent Zinsen dem Zugriff des Staates preisgegeben werden. 7,1 Milliarden Euro stehen Athen eigentlich noch aus diversen Töpfen des Euro-Raums und der Europäischen Zentralbank (EZB) zu. Voraussetzung ist die berühmt-berüchtigte Liste mit Reformversprechen, die Finanzminister Varoufakis mal verspricht und dann wieder auf die lange Bank schiebt.

Längst werden in der Währungsunion die Rufe nach einem alternativen Lösung lauter: Kompromiss? Staatspleite? Austritt aus dem Euro? Als der tschechische Finanzminister Du?an Mramor am Wochenende etwas rätselhaft einen "Plan B" ankündigte, aber nicht sagen konnte, worin der bestehe, machten die Kollegen inklusive Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble schnell einen Rückzieher. Nein, ein Notfallplan existiere nicht. Und einen Grexit, also einen Ausstieg aus dem Euro, werde es nicht geben. Doch die Zahl derer, die in Brüssel an Wunder glauben, wird immer kleiner.

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