Designierte EU-Chefin in Brüssel Ursula von der Leyen überzeugt nicht alle Fraktionen

BERLIN · Die designierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen lässt bei ihrer Werbetour in Brüssel viele Fragen offen – womöglich zu viele, um in das Amt gewählt zu werden.

 Löste bei ihren Anhörungen keine Begeisterung aus: Ursula von der Leyen.

Löste bei ihren Anhörungen keine Begeisterung aus: Ursula von der Leyen.

Foto: dpa

Noch fünf Tage. Dann kennt Ursula von der Leyen ihre Richtung: Brüssel oder zurück nach Berlin. Jetzt wird weiter gearbeitet, an ihrer Rede gefeilt, hinter den Kulissen verhandelt, geworben. Jede Stimme zählt. Bis Dienstag, 18 Uhr, wenn von der Leyen gewählt wird – oder eben nicht. Und wer weiß, was eine womöglich gescheiterte Kandidatur um den Posten der EU-Kommissionspräsidentin für sie als Verteidigungsministerin noch bedeutet. Von der Leyen wäre angezählt.

Also voll rein in die Mission Europa. Doch von der Leyen kann in Anhörungen vor mehreren Fraktionen nicht wirklich überzeugen. Die Grünen beispielsweise waren schon vor Beginn verstimmt. Erst kommt die Kandidatin deutlich zu spät. 28 Minuten nach der Zeit. Grünen-Fraktionschef Philippe Lamberts zeigt deutlich, was er davon hält: „Deutsche Tugend – Pünktlichkeit gibt es nicht mehr“, begrüßt er sie auf Deutsch. Von der Leyen lächelt, spricht auf Englisch von einem „holprigen Start“ („bumpy start“), womit die CDU-Politikerin die EU-Kandidatensuche meint. „Die Uhr tickt. Die Zeit läuft ab“, sagt von der Leyen.

Stimmt. Am kommenden Dienstag muss sie möglichst viele Parlamentarier mit ihrem Plan von Europa überzeugen. Sie braucht die absolute Mehrheit der 751 Abgeordneten, also 376 Stimmen. Doch die Stimmung beginnt sich zu drehen. Viele Abgeordnete sind nach den Anhörungen schlicht enttäuscht. Zu vage, zu unpräzise, zu mutlos sei ihre Vision von Europa. Die Zweifel der Anderen.

Von der Leyens Werbung in eigener Sache sei nur sehr bedingt gelungen, fassen Abgeordnete der Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen ihren Eindruck zusammen. „Klima ist Thema Nummer eins“, verspricht von der Leyen den Grünen. Hört sich gut an. Aber die Grünen werden skeptisch, als sie hören, dass die CDU-Politikerin zwar Klimaneutralität bis 2050 ankündigt, die Treibhausgase bis 2030 aber nur um 50 Prozent reduzieren will, wo das Europaparlament bereits 55 Prozent gefordert hat. Der Abgeordnete Sven Giegold: „Wir Grünen haben eine klare Entscheidung getroffen und werden gegen Ursula von der Leyen stimmen.“

SPD-Abgeordnete wollen von der Leyen weiter nicht wählen

Auch bei den Sozialdemokraten wie bei den Liberalen löste von der Leyen mit ihrem Versuch einer Charmeoffensive keine Begeisterung aus. Die deutsche FDP-Spitzenkandidatin im Europawahlkampf, Nicola Beer, sagt nachher, von der Leyen sei „wolkig“ geblieben, ihre Antworten hätten meist „sehr unkonkret“. gewirkt Auch die deutschen SPD-Abgeordneten im Europaparlament geben sich derweil weiter entschlossen, von der Leyen nicht zu wählen.

Der Chef der deutschen SPD-Gruppe, Jens Geier, lässt sogar ein Papier verteilen, in dem von der Leyen wegen diverser Pannen in ihrer Amtsführung und bei der Bundeswehr als „unzulängliche und ungeeignete Kandidatin“ beschrieben ist. Ein deutscher Europaabgeordneter sagt: „Das war wirklich ein schlechter Tag für Ursula von der Leyen und ihre Kandidatur.“ Sie habe „klar an Boden verloren“, auch, weil sie bei Fragen wie etwa der Verteidigung von Bürgerrechten und Rechtsstaatlichkeit vage geblieben sei, sich nicht klar zu rechtspopulistischen Regierungen in Polen und Ungarn geäußert habe.

Sollte von der Leyen „nur durch die Zustimmung der Gegner Europas“, wie ein Grüner unkt, die absolute Mehrheit schaffen, täte sich die Europäische Volkspartei „keinen Gefallen“. Womöglich schlage am Dienstagabend „wieder die Stunde des Parlaments“, wenn ein neuer Kandidat oder eine neue Kandidatin gesucht würde.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagt in Berlin, sie arbeite dafür, dass von der Leyen Kommissionspräsidentin werde. Merkel sieht das Problem – auch für die Groko: „Und dass wir diese Situation in der Koalition haben, ist natürlich nicht einfach.“ Was erst, wenn von der Leyen tatsächlich durchfällt?

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