NRW-Landtagswahl Unmut und Befremden über Röttgens Agieren

BERLIN/DÜSSELDORF · In der CDU wächst das Befremden über das Agieren von Spitzenkandidat Norbert Röttgen in Nordrhein-Westfalen. Mit erstaunlichen Volten versucht er, Hannelore Kraft noch auf der Ziellinie abzufangen.

CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen sieht die Wahl in Nordrhein-Westfalen nach innerparteilicher Kritik nun doch nicht als Votum über den Kurs von Kanzlerin Angela Merkel. "Am Sonntag steht nicht der Kurs von Angela Merkel in Europa zur Abstimmung, sondern der Schuldenkurs von Frau Kraft in Nordrhein-Westfalen", sagte der Bundesumweltminister der "Welt" (Donnerstag). Er fügte hinzu: "Allerdings hat dieser Kurs Bedeutung über die Landesgrenzen hinweg." Noch am Dienstag hatte er betont, die NRW-Wahl sei auch eine Abstimmung über Merkels Europapolitik.

In der Unions-Spitze hatte es großen Unmut und Befremden über Röttgens Agieren gegeben. Die Aussagen wurden teilweise so interpretiert, dass er im Angesicht der drohenden Niederlage die Kanzlerin und CDU-Chefin in Mithaftung nehmen wolle. In seinem Umfeld wurde dies als abwegig beurteilt.

Merkel selbst betonte, sie sehe in der Landtagswahl am Sonntag keine Schicksalswahl für die Bundes- und die Europapolitik. "Die Wahl am Sonntag ist eine wichtige Landtagswahl für Nordrhein-Westfalen, nicht mehr und nicht weniger", sagte die CDU-Chefin den in Dortmund erscheinenden "Ruhr Nachrichten" (Donnerstag). "Die Bundesregierung arbeitet dessen ungeachtet verlässlich, erfolgreich und vertrauensvoll weiter zusammen."

Röttgen sagte der "Welt", es geht in NRW um die Frage, welche Art von Politik sich durchsetze: Sparen oder Schulden machen. Und ob in Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland eine Regierung abgewählt werde, "die Verschuldung für Verantwortung hält und sich dabei auf die Seite derjenigen Kräfte in Europa schlägt, die zugunsten kurzfristiger Wahlgeschenke die Stabilität und damit die Zukunft des Euro aufs Spiel setzen".

In der Union wird es zudem von vielen kritisch gesehen, dass er es bisher offen lässt, ob er bei einer Niederlage auch als Oppositionsführer in Nordrhein-Westfalen bleiben werde. Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) betonte in ungewohnt scharfer Form: "Röttgen ist unser bester Wahlkämpfer. Sein Zögern und Zaudern in der Frage, was er nach der Wahl macht, treibt die Wähler von der CDU zur FDP", sagte Niebel "Spiegel online".

Das Beispiel des FDP-Spitzenkandidaten Christian Lindner zeige, dass es honoriert werde, wenn man sich klar zu Nordrhein-Westfalen bekenne. "Wie Röttgen auf die Idee kommen konnte, die Landtagswahl zum Test für die Bundesregierung auszurufen, ist mir schleierhaft - zumal er sich im Wahlkampf ja immer mehr der SPD und den Grünen angenähert hat", sagte Niebel.

Laut Umfragen kann Rot-Grün mit einer knappen Mehrheit rechnen, die CDU liegt mit etwas über 30 Prozent klar hinter der SPD. Die Opposition im Bund reagierte mit Häme. Die SPD meinte, Röttgen wolle im Angesicht der drohenden Niederlage die Verantwortung auf Kanzlerin Merkel abwälzen. "Lieber Norbert, mit politischer Feigheit verdient man sich nicht den Respekt der Wählerinnen und Wähler", sagte Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann am Mittwoch in Berlin. Röttgen versuche, die Wahl zu einer Abstimmung über Merkels Sparkurs in Europa umzudeklarieren. "Das ist feige."

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf Röttgen vor, im letzten Moment auf einen gefährlichen Populismus-Kurs umzuschwenken. "Herr Röttgen merkt doch, dass ihm das Wasser bis zum Halse steht", sagte Trittin der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Und in der Not flüchtet er sich jetzt in den Populismus, polemisiert gegen den neuen französischen Präsidenten Hollande und bedient ein antieuropäisches Ressentiment." Röttgen hatte betont, als Ministerpräsident würde er verhindern, dass Steuergelder für "Wahlversprechen in Frankreich" vergeudet würden.

Derweil zeigte sich SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur optimistisch, dass Rot-Grün am Sonntag eine stabile Mehrheit erringen kann. Bisher gab es nur eine Minderheitsregierung von SPD und Grünen. "Wir kämpfen für eine stabile rot-grüne Mehrheit mit einer starken SPD", sagte Kraft. "Deshalb hoffe ich auf eine hohe Wahlbeteiligung, denn das ist die Grundvoraussetzung für klare Verhältnisse."

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