Kubanische Regimekritiker Berta Sole Unerschrocken gegen die Castro-Herrschaft

BONN · Angst? Angst kennt Berta Soler offenbar nicht. Seit Jahren kämpft die Sprecherin der kubanischen Organisation "Damas de Blanco" (Damen in Weiß) für die Verwirklichung der Menschenrechte in ihrer Heimat und die Freilassung politischer Gefangener.

 Berta Soler, Sprecherin der "Damen in Weiß".

Berta Soler, Sprecherin der "Damen in Weiß".

Foto: Lutz Warkalla

Dem Regime ist die Gruppe ein Dorn im Auge, immer wieder werden Mitglieder verhaftet, unter Druck gesetzt, beleidigt. Jetzt gehört sie zu den ersten Regimekritikern, die aufgrund der neuen Reiseregeln das Land verlassen konnten. Nach einem Besuch in Spanien war sie am Wochenende bei der Jahrestagung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Bonn und warb mit deutlichen Worten um Unterstützung für ihren Kampf.

Wie das Castro-Regime in Havanna auf die Auslandsaktivitäten seiner Kritiker bei ihrer Rückkehr reagieren wird, weiß niemand. "Was auch immer geschieht, ich nehme das als gläubige Christin hin", sagt Berta Soler. "Die Liebe zum Vaterland ist stärker als Gitterstäbe."

Soler nimmt kein Blatt vor den Mund, diplomatisches Gesäusel ist ihre Sache erkennbar nicht. "In Kuba gibt es keinen wirklichen Wandel, es gibt nur kosmetische Veränderungen", sagt sie. Hunderte säßen als politische Häftlinge im Gefängnis, nur weil sie sich für ihre Freiheit und die Menschenrechte einsetzten. "Sie behandeln die Gefangenen wie Hunde", wirft sie dem Regime vor.

Das Essen sei so schlecht, das würde man höchstens Schweinen geben. "In Kuba herrscht ein totalitäres, diktatorisches Regime, das einzig daran interessiert ist, seine Macht zu erhalten" , schimpft sie und appelliert an die deutsche Regierung, den Druck auf Kuba aufrecht zu erhalten.

Immerhin, dieses Regime hat sie jetzt ausreisen lassen. Raúl Castro persönlich war es, der die unsichtbare Mauer um die Karibikinsel eingerissen hat. Seit Mitte Januar brauchen Kubaner keine schriftliche Einladung mehr und auch keine Reiseerlaubnis der Regierung. Nur ein Pass, der ordentlich Geld kostet, und gegebenenfalls ein Visum des Ziellandes sind erforderlich.

Ist das kein Fortschritt, keine kleine Revolution à la cubana? Solers Antwort ist ein kategorisches "Nein". "Ich bin nur hier wegen des internationalen Drucks, nicht wegen des guten Willens der Regierung", sagt sie. "Fortschritt ist, wenn alle Kubaner reisen und die Insel verlassen können." Sie habe mehrere Verwandte, die keinen Pass erhalten haben.

René de Jesús Gomez sieht das etwas differenzierter. Der mit Berufsverbot belegte Rechtsanwalt gehörte 1997 zu den Mitunterzeichnern des Manifestes "La Patria es de Todos" (Das Vaterland gehört allen) - eine Generalabrechnung mit dem Tropensozialismus, in der Demokratisierung, wirtschaftliche Öffnung und die Gewährung grundlegender Rechte wie Reisefreiheit für alle gefordert werden.

Damals landeten Gomez und seine Mitautoren im Gefängnis. Jetzt verdankt er Raúl Castros Gesetz, dass er neben Berta Soler in Bonn auf dem Podium sitzen kann: "So oft ist mir ein Ausreisevisum verweigert worden, ich habe es nicht glauben können, bis das Flugzeug abgehoben hat." Dem ganz normalen Kubaner helfe die neue Regelung schon sehr, glaubt er, aber für die Opposition bleibe es schwierig, weil für die Passvergabe viele Ausnahmen möglich seien. "Wer das Gesetz gemacht hat, hat auch die Fallen eingebaut", zitiert er ein altes Sprichwort.

Gomez musste seine Kritik am Regime noch einmal mit Gefängnis büßen - von Juli 2005 bis Februar 2007 saß er in Haft, ohne Anklage und ohne Urteil. Heute ist der unerschrockene Anwalt Vorsitzender und Mitbegründer der IGFM-Arbeitsgruppe auf Kuba.

"In Kuba kämpfen Menschenrechtsaktivisten noch mit dem Rücken zur Wand", sagt Martin Lessenthin, Chef der IGFM Frankfurt. "Nicht nur sie selbst sind beruflichen und privaten Repressalien ausgesetzt, auch ihre Frauen und Kinder werden unter Druck gesetzt." Zwar habe es 2010 und 2011 einige Freilassungen politischer Gefangener gegeben. In den vergangenen zehn Monaten aber habe sich ihre Zahl auf 90 verdoppelt. Drastisch zugenommen habe die Zahl der Kurzzeitverhaftungen von einigen Stunden bis zu mehreren Tagen.

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