Zur Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern Unaufgeregt

Meinung | Bonn · Die großen Umwälzungen im Land, die Abwanderung breiter Einwohnerschichten und der Niedergang des ländlichen Raumes haben viele Frustrierte hinterlassen. Demokratische Traditionen sind nur schwach verankert.

 Ein Wahlplakat der Alternative für Deutschland AfD in Rostock (Mecklenburg-Vorpommern).

Ein Wahlplakat der Alternative für Deutschland AfD in Rostock (Mecklenburg-Vorpommern).

Foto: dpa

Mecklenburg-Vorpommern wählt, aber niemanden regt das wirklich auf. Das Land ist dünn besiedelt, Arbeit ist knapp, und die demografischen Probleme sind enorm. Regiert wurde in den zurückliegenden Jahren unaufgeregt und effizient durch eine große Koalition von SPD und CDU. Die Schulden sind niedrig, das Entwicklungstempo gering, denn Geld ist auch nicht da. Spannend könnte sein, dass Angela Merkel dort ihren Wahlkreis hat. Aber selbst das vermag kaum Funken zu schlagen, denn die Sachlage verspricht am Ende wenig Überraschungen.

Die Umfragen zeigen, dass sich der Trend der Wahl in Sachsen-Anhalt fortsetzt. Die AfD steht vor einem weiteren Wahlerfolg und löst die NPD auf dem rechten Rand ab. Die Rechtsextremen dürften an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Getrieben wird die positive Entwicklung der AfD durch die Flüchtlingsdebatte. Es sind zwar nur 22 000 im Land, aber die Sorge um die Zukunft bewegt offenbar so viele Menschen, dass Erhebungen die AfD schon vor der CDU sehen. Die AfD kann auf ein großes Potenzial ehemaliger Nichtwähler zurückgreifen.

Die großen Umwälzungen im Land, die Abwanderung breiter Einwohnerschichten und der Niedergang des ländlichen Raumes haben viele Frustrierte hinterlassen. Demokratische Traditionen sind nur schwach verankert. Traditionell wählt der Norden der ehemaligen DDR Rot, das bringt das Lager von SPD und Linken nach vorn, was jedoch nicht mehr für eine Regierungsmehrheit reichte. Jetzt werden die Karten neu gemischt, denn es ist unklar, wie sich die Wähler der Linken verhalten. Die Partei schrumpft, weil ihr Anhang überaltert ist. Jetzt könnten die Unzufriedenen auch AfD wählen, wie sie es in Sachsen-Anhalt getan haben.

Für eine Regierungsbildung spielt das alles nach der Wahl kaum eine Rolle. Die Wahrscheinlichkeit, dass alles beim Alten bleibt, ist verhältnismäßig groß. Die SPD hat beste Aussichten, wieder den Ministerpräsidenten zu stellen. Offen ist nur die Frage des Koalitionspartners. Ob die große Koalition weitermachen kann, ist unklar, weil auch die CDU mit Verlusten in Richtung AfD rechnen muss. Das Ergebnis könnte ein rot-rot-grünes Bündnis unter SPD-Führung bringen, sofern die Grünen die Fünf-Prozent-Hürde nehmen.

Käme es so, wäre Mecklenburg-Vorpommern der Vorreiter für weitere Landesregierungen und für den Ausstieg der SPD aus der ungeliebten Regierungszusammenarbeit mit der CDU. Denn auch in Berlin und im Bund liebäugeln die Sozialdemokraten mit diesem Modell. Das würde Bewegung in die politische Landschaft bringen. Bismarck hat über Mecklenburg gesagt, wenn er wüsste, dass morgen die Welt unterginge, zöge er in den Norden. In Mecklenburg komme alles 100 Jahre später. Das ist übertrieben, aber die hohe Beharrlichkeit der Verhältnisse ist unverkennbar.

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