Kommentar Tiger statt Katze

MOSKAU · Russland ist militärisch gezwungen, in der Ukraine immer offener zu agieren. Seine Truppen seien wie eine Katze in einem dunklen Zimmer, zu klug, zu kühn, zu gewandt, um überhaupt entdeckt zu werden, scherzte der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu vor Monaten. Und meinte seine Truppen im ukrainischen Donbass.

Qualitativ hat sich dort gar nicht viel geändert. Seit Monaten kämpfen in den Reihen der prorussischen Rebellen Russen, die sich offen als Berufsmilitärs ausgeben, allerdings immer hinzufügen, sie hätten schon ihren Abschied genommen. Sie kämpfen wirklich kühn, klug und hochprofessionell, fügen der ukrainischen Armee blutige taktische Pleiten zu, die die militärisch unerfahrenen Aufständischen kaum zustande gebracht hätten. Und sie bedienen die komplizierten Waffensysteme, die in der Rebellenarmee auftauchten, problemlos.

Aber ihre Raketen- und Granatsalven dröhnen immer häufiger, ihre Panzerkolonnen werden immer länger. Nicht erst seit gestern kann man streiten, warum Russland seine Militärintervention in der Ukraine inzwischen so offen veranstaltet. Weil Putin vom Westen nur noch flügellahme Proteste erwartet? Oder weil sowieso zu viele russische Waffen, Dokumente und Kämpfer den Ukrainern in die Hände gefallen sind. Tatsächlich will Putin der Ukraine - wie vor Monaten - seinen Willen aufzwingen, mit möglichst geringem Aufwand, möglichst diskret. Aber die wehrt sich erbittert. Deshalb muss Russland im Donbass immer kriegerischer werden. Und deshalb ist Schoigus Katze inzwischen zum Tiger mutiert.

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