Ukrainische Regierungstruppen Symbol des Kriegertums

MOSKAU · Die Lage scheint verzweifelt. Igor Strelkow, Verteidigungsminister der separatistischen "Donezker Volksrepublik", hat in Donezk den Belagerungszustand ausrufen müssen. Ukrainische Regierungstruppen nehmen die Stadt in die Zange, gestern fiel der Vorort Awdejewka.

Strelkow (Codename), alias Girkin (Familienname), kämpft im Donbass seit Wochen gegen die Katastrophe. Trotz aller Verstärkungen aus Russland zog er vor einem Monat unter dem Druck der Ukrainer seine Kämpfer aus der Separatistenhochburg Slawjansk ab, jetzt versucht der Feind ihn von seinen Waffenbrüdern in der Region Lugansk abzuschneiden.

Aber während bei den Ukrainern bisher keine Führerfigur heraussticht, ist Strelkow zum Symbol des neurussischen Kriegertums geworden. In Donezk hängen Propagandaplakate, die Strelkow zwischen seinen Kriegern zeigen. Aufschrift: "300 Strelkowzer".

Strelkow, großgewachsen, dunkelblond, blauäugig, altmodisches Offiziersbärtchen, Typ britischer Imperialoffizier, stärkt die Moral, indem er Marodeure in Brunnen werfen lässt, das Fluchen in der Republik verbietet, den Feind mit inzwischen berühmten Lageberichten herunterputzt: "Ich habe gesehen, dass die Infanterie der ukrainischen Nationalgarde schwach ist. Genauer, ich habe sie kein einziges Mal gesehen!"

Daneben stellt er lakonische Heldennachrufe: "15 Mann gerieten unter Feuer. Der MG-Schütze warf sich auf den Asphalt, deckte den Rückzug. Die Leute entkamen, er fiel."

Diese Lageberichte wirken oft düster, winken mit dem Untergang: "Die Lage bleibt schwer, verschlechtert sich weiter." Offenbar Zweckpessimismus, adressiert an die russische Heimat, die über weitere Hilfe für die ostukrainischen Rebellen entscheidet.

Natürlich vermischten sich im Donbass-Konflikt Krieg und Politik, sagt Dmitri Steschin, ein Reporter der "Komsomolskaja Prawa", der Strelkow wochenlang begleitete. Aber Igor Strelkow habe sich keineswegs an die Öffentlichkeit gedrängt. "Er ist Militärführer, und er zeigt dabei enorme Fähigkeiten als Stratege und als Taktiker."

Strelkow, Jahrgang 1970, verheiratet, zwei Söhne, wuchs in einer sowjetischer Offiziersfamilie auf, studierte in Moskau Geschichte, galt als kriegsbegeisterter Bücherwurm. Hobby: Schlachten in historischen Uniformen nachstellen, Lieblingsrolle: Freiwilliger der "Weißen" Armee, die im Bürgerkrieg tapfer, aber vergeblich für das Zarenhaus focht.

In der Realität kämpfte er in Trandnistrien gegen die Moldawier, in Bosnien gegen die Moslems, in Tschetschenien gegen die Separatisten. Laut einer Autobiographie im Internet beendete er seinen Dienst als Oberst des Inlandsgeheimdienstes FSB. Und alles spricht dafür, dass er im Donbass nicht nur mit Billigung, sondern im Auftrag der russischen Militärführung handelt. Wie er sagen viele seiner russischen Offiziere, sie hätten ihr Geld zuletzt in "privaten Sicherheitsdiensten" verdient.

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