Bundestagswahl Studien: Immer mehr Nichtwähler

Köln · Die Partei der Nichtwähler wird immer größer. Demokratiegegner sind sie meist nicht. Werner Peters war mal CDU-Mitglied, fast 25 Jahre lang. Sogar Ortsvorsitzender. Bis der damalige CDU-Vorsitzende Helmut Kohl sich in der Parteispendenaffäre weigerte, Namen zu nennen. Da trat der Kölner Hotelier aus seiner Partei aus. Doch die Politik lässt ihn nicht los. Der 72-Jährige ist heute Bundesvorsitzender der Partei der Nichtwähler und führt diese in die Bundestagswahl am 22. September.

Die Alternative zur Stimmenthaltung will er sein. Und den von der Politik enttäuschten Wählern will er ein Forum geben. "Wir fokussieren uns auf die bewussten Nichtwähler, die aus Enttäuschung über die Strukturen und Mechanismen der Macht die Wahl boykottieren."

Seine Partei etwa will die Dauer eines Mandats auf zwei Legislaturperioden beschränken. "Das Berufspolitikertum muss aufhören. Die Menschen, die Politik machen, dürfen den Bezug zur Realität nicht verlieren." Aufheben will die Partei auch den Fraktionszwang im Bundestag und das "schreckliche Instrument der Koalitionsverträge": "Parlamentarier, die vier Jahre lang die Faust in der Tasche haben, so kann man doch keine Politik machen."

Peters Zielgruppe wächst: Von 1998 bis 2009 stieg die Zahl der Nichtwähler bei Bundestagswahlen von 10,8 auf 18,1 Millionen - fast 30 Prozent. Über die Gründe wird heftig gestritten: Demokratiemüdigkeit? Frust über das Klein-Klein der Parteipolitik? Oder doch eher ein Zeichen, dass es den Deutschen überwiegend gut geht - Apathie aus Zufriedenheit?

Pünktlich zur Bundestagswahl zeigt eine Reihe von Studien, dass die meisten Nichtwähler sich nicht grundsätzlich von der Politik abwenden. In einer Forsa-Studie für die SPD-nahe Friedrich Ebert Stiftung gaben 14 Prozent der befragten Nichtwähler an, allen vier letzten Bundestagswahlen ferngeblieben zu sein.

Die große Mehrheit der Nichtwähler akzeptiert demnach die Demokratie - sie sind aber unzufrieden mit der Art und Weise, wie Politik gemacht wird. Das Meinungsforschungsinstitut befragte auch im Auftrag von ProSiebenSat.1 Wähler und Nichtwähler. Das Ergebnis: Wer nicht zur Wahl geht, fühlt sich nicht als Dauer-Nichtwähler, sondern meist eher als "Wähler auf Urlaub". Meist sei es die enttäuschte Mitte, die der Wahlurne fern bleibt.

"Der entscheidende Beweggrund für die größer werdende Wahlabstinenz ist der eingetretene Entfremdungsprozess zwischen Bürgern und Politik", resümieren die Autoren. Nichtwähler sind unzufriedener, schreiben Politik eine geringere Bedeutung für das eigene Leben zu und identifizieren sich seltener mit einer Partei. Dahinter steckt auch ein Kommunikationsproblem: Nur gut ein Drittel der Wähler versteht, was die Politiker sagen.

Bei den Nichtwählern ist die Quote noch niedriger. Ein Trend ist weiterhin deutlich: "Menschen mit einem geringeren Bildungshintergrund, weniger Einkommen und insgesamt geringerem Sozialstatus gehen weitaus weniger zur Wahl als dies Menschen mit höherer Bildung und besserem Einkommen tun", resümiert die Bertelsmann Stiftung. Sie warnt deshalb vor einer "gespaltenen Demokratie", in der ausgerechnet die sozial Schwachen ihre Einflussmöglichkeit aufgeben.

Zum Teil sei das Nichtwählertum auch Mode, findet SPD-Urgestein Franz Müntefering. "Und diese Mode muss man ein Stück weit auch brechen." Seine Ansage: "Wer nicht zum Wählen geht, ist auch selbst mit schuld."

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