Studie: Mittelschicht schrumpft deutlich

Gütersloh · Streitfall Mittelschicht: Nach einer Studie für die Bertelsmann-Stiftung ist die soziale Mitte in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich geschrumpft und hat nur mäßige Zukunftsaussichten. Seit 1997 sei ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung von 65 auf 58 Prozent gesunken, heißt es in der am Donnerstag vorgelegten Untersuchung.

 Leere Taschen - Die sogenannte Mittelschicht schrumpft. Foto: Heiko Wolfraum/Illustration

Leere Taschen - Die sogenannte Mittelschicht schrumpft. Foto: Heiko Wolfraum/Illustration

Foto: DPA

Selbst eine gute Ausbildung sei "kein Garant mehr für ein Leben in gesichertem Wohlstand". Immer weniger Menschen gelinge der Aufstieg in die Mittelschicht, es überwiege die Mobilität nach unten.

Das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft widersprach diesen Ergebnissen entschieden. "Die deutsche Mittelschicht ist stabil." Aktuell sei sie in etwa so groß wie kurz nach der Wiedervereinigung - und Angst vor dem Abstieg sei meist unbegründet.

Dagegen kommen die von der Bertelsmann-Stiftung beauftragten Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Universität Bremen zu dem Ergebnis, dass die Ungleichheit beim Einkommen wie auch beim Vermögen weiter zugenommen hat. "Den zusätzlichen Wohlstandsgewinn verbucht nur eine Elite in der Gesellschaft." Allerdings gebe es aus der Mitte heraus auch Aufstiege in die nach wie vor wachsende Oberschicht.

Zur Mittelschicht gehören laut Bertelsmann-Studie 47,3 Millionen Menschen, rund 5,5 Millionen weniger als vor 15 Jahren. Zu dieser Gruppe zählen die Forscher Ein-Personen-Haushalte mit einem monatlich verfügbaren Einkommen von 1130 bis 2420 Euro. Für einen Vier-Personen- Haushalt mit zwei Kindern unter 14 Jahren liegen die Grenzen bei 2370 und 5080 Euro. Die Zahlen basieren auf dem sogenannten sozioökonomischen Panel für 2010, für das 20 000 Erwachsene befragt wurden.

Für das Schrumpfen der Einkommens-Mittelschicht werden drei Ursachen ausgemacht: die Zunahme von Ein-Personen-Haushalten, die Steuerreform sowie die Arbeitsmarktreformen. Während die oberen Einkommensschichten von der Senkung des Spitzensteuersatzes profitiert hätten, sei die Mittelschicht deutlich weniger entlastet worden. Durch die Arbeitsmarktreformen seien viele unterdurchschnittlich bezahlte Jobs entstanden. Es gebe wenige Anhaltspunkte für eine grundlegende Umkehr der Einkommensentwicklung. Wer einmal aus der Mittelschicht herausgefallen sei, dem gelinge die Rückkehr schwerer als vor Jahren.

Die Bertelsmann-Studie könnte den Streit über den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung wieder anheizen. Die Regierung hatte aus dem Entwurf Passagen zur zunehmenden Spaltung der Gesellschaft gestrichen. So fehlt im Vergleich zur ersten Fassung der Satz "Die Privatvermögen in Deutschland sind ungleich verteilt."

Die Unsicherheit in der Mittelschicht über die eigene Zukunft habe zugenommen, so die Bertelsmann-Studie. Große Sorgen machten sich heute 25 Prozent dieser Bevölkerungsgruppe - im Jahr 2000 seien es nur 15 Prozent gewesen.

Einen Trost hält die Studie für die deutsche Mittelschicht aber bereit: Im europäischen Vergleich stehe sie gut da. Während in Deutschland nur 18 Prozent der Mittelschicht-Haushalte Probleme hätten, mit dem Monatseinkommen auszukommen, seien es in Frankreich 65 Prozent und in Italien sogar 78 Prozent.

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Bertelsmann-Studie

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