NSU-Prozess Streit um die Vergabe der Medienplätze hält an

BERLIN · Der Windhund ist gnadenlos. Die ersten 50 bekommen feste Plätze. So will es das so genannte "Windhund"-Verfahren, nach dem das Oberlandesgericht München Medien für den Auftakt des weltweit beachteten NSU-Prozesses Mitte April akkreditiert hat. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

Die türkische Tageszeitung "Hürriyet", mit einer Auflage von 500.000 eine der größten des Landes, liegt auf Platz 68. Die Kollegen von "Sabah Gazetesi" haben es auf Platz 75 geschafft. Die Nachrichtenagentur Anadolu ist auf Platz 84. Und "Zaman", die größte Tageszeitung der Türkei, ist auf Platz 90 registriert.

Ein deutsches Gericht urteilt über eine beispiellose Mordserie mutmaßlicher Rechtsterroristen, bei der acht der zehn Opfer türkisch oder türkischstämmig waren, und türkische Medien bleiben ausgesperrt. Da ist Protest programmiert. Inzwischen hat sich auch die Ombudsfrau der Regierung für die Opfer der NSU-Morde, Barbara John, eingeschaltet. Demnach hat das Oberlandesgericht München "zugesagt, die türkischen Medien einzubinden", wie John in der "Passauer Neuen Presse" erklärte. Sie hoffe, dass "das Problem gelöst" werden könne.

Auch die türkische Regierung in Ankara hofft darauf, dass angesichts der Bedeutung des Verfahrens für viele Türken in Deutschland, die sich über türkische Medien informierten, wie auch für die Öffentlichkeit in der Türkei, das Gericht in München sein Vorgehen überdenke.

Eine Möglichkeit: Zusätzlich zu den zugelassenen 50 Medienvertretern in Saal A 101 könnte die Verhandlung auch in einem Nebensaal übertragen werden. Nach Mitteilung des Gerichts waren diese 50 Plätze nur drei Stunden nach Eröffnung der Akkreditierung vergeben.

Jetzt appelliert der Unionsobmann im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages, Clemens Binninger (CDU), an das Gericht, eine Übertragung in einen anderen Saal für akkreditierte Journalisten zumindest zu prüfen. Auch der frühere Bundesverfassungsrichter Winfried Hassemer plädiert für eine Öffnung: "Vernünftig wäre eine Übertragung der Verhandlung in einen anderen Raum, unter strengen Sicherheitsvorkehrungen", sagte Hassemer der Deutschen Presse-Agentur. Dies wäre keine öffentliche Vorführung, sondern käme lediglich einer Erweiterung des Gerichtssaales gleich.

Der hessische Justizminister Jörg Uwe Hahn (FDP) ist für eine neue Platzzuteilung: "Ich habe das Gefühl, am sinnvollsten ist es, man fängt nochmal neu an. (...) Dann wird bestimmt dabei herauskommen, dass zwei türkische und ein griechischer Kollege dabei sind."

Derweil setzt das Oberlandesgericht München auf Solidarität unter journalistischen Kollegen. Gerichtspräsident Karl Huber stellt in Aussicht, türkische Kollegen könnten nachrücken, wenn andere Journalisten ihre reservierten Plätze frei machten. Doch auch das Nachrücken gehe nur nach Reihenfolge der Anmeldung. Derweil will Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) mit Blick auf die Unabhängigkeit der Gerichte keinen Druck ausüben: "Das Gericht hat sich in aller Unabhängigkeit für die jetzige Lösung entschieden. "

Mancher Politiker sorgt sich um das Ansehen des deutschen Rechtsstaats im Ausland. "Man schaut auf unser Land, will wissen, wie wir umgehen mit all den ganzen Pannen und Versäumnissen, die es gab während der NSU-Mordserie", warnte Grünen-Chef Cem Özdemir.

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