Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl Streit bei den Linken

Berlin · Eigentlich sollte im kommenden Januar über die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl entschieden werden. Doch die Linke-Fraktionschefs preschten vor - nun gibt es Ärger über den Versuch der „Selbstkrönung“ von Wagenknecht und Bartsch.

 Überrumpelten die Linke-Parteichefs: Die Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch.

Überrumpelten die Linke-Parteichefs: Die Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch.

Foto: picture alliance / dpa

Der Vorstoß kam überraschend und ohne jede Abstimmung mit der Parteispitze. Von „Erpressung“ und „Selbstkrönung“ ist nun die Rede. Die Linke-Fraktionschefs im Bundestag, Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, hatten die Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger schlicht überrumpelt. Wer führt die Linke als Spitzenkandidaten in die Wahlauseinandersetzung im Bund im kommenden Jahr? Über diese Frage, so der eigentlich verabredete Fahrplan, sollte im Januar entschieden werden. Doch Wagenknecht und Bartsch entschieden sich für ihre Form der Offensive. Sie teilten Kipping und Riexinger sowie den teilweise gleichfalls verdutzten Landeschefs mit, sie stünden für eine Spitzenkandidatur im Bund bereit: wohl gemerkt als Duo – oder gar nicht.

Damit herrschte nach Tagen der Euphorie über das Ergebnis der Abgeordnetenhaus-Wahl in Berlin und der Perspektive auf Rot-Rot-Grün sofort wieder Ärger im Linke-Lager. Parteichefin Kipping hatte noch am Abend der Abgeordnetenhaus-Wahl frohlockt, dies könne auch eine Chance für andere Mehrheiten und eine andere Politik im Bund sein. Mitunter hatte Kipping dabei auch eine eigene Spitzenkandidatur im heraufziehenden Wahlkampf im Hinterkopf. Doch diesen Plan versuchten Wagenknecht und Bartsch mit ihrem Vorstoß zu durchkreuzen. Kipping stellte hörbar verärgert, danach schnell klar, wer bei der Linken das Sagen hat: „Fakt ist, das entscheidet bei uns die Partei.“ Und auch der Linke-Vorsitzende in Brandenburg, Christian Görke, kritisierte, „Selbstkrönungen“ seien weder gefragt noch zu diesem Zeitpunkt hilfreich.

Im Karl-Liebknecht-Haus hieß es am Freitag auf Anfrage: „Das ist natürlich nicht der korrekte Ablauf.“ Dort bestehen Kipping und Riexinger auf ihr Vorschlagsrecht als Parteivorsitzende, die von Teilen der Basis und mehreren Landesverbänden unterstützt werden. Bei der Bundestagsfraktion wiederum wird darauf verwiesen, dass es Kipping selbst gewesen sei, die über die Personalie „Spitzenkandidatur“ in der Vorstandssitzung habe sprechen wollen. Daraufhin hätten Wagenknecht und Bartsch ihre Bereitschaft zur Spitzenkandidatur erklärt, aber eben nur gemeinsam. Nun ist in der Fraktion von einem Mitgliederentscheid die Rede. Ein Team mit gleich vier Spitzenkandidaten wie 2002 müsse möglichst vermieden werden. Damals war die damalige PDS nach einem wenig erfolgreichen Wahlkampf bei 4,0 Prozent gelandet. Lediglich Petra Pau und Gesine Lötzsch hatten es als Direktkandidaten in den Bundestag geschafft.

Eigentlich wollten die Linken, die bei der letzten Bundestagswahl 8,6 Prozent geholt hatten, ein schlagkräftiges Team ins Rennen schicken. Eine Spitzenkandidatur der Parteichefs Riexinger und Kipping an der Seite mit den Fraktionschefs Bartsch und Wagenknecht wird in der Fraktion skeptisch gesehen. Nach dem Vorstoß von Bartsch und Wagenknecht, den die ostdeutschen Landeschefs der Linken als „massiven Rückschlag“ auf dem Weg zur Bundestagswahl 2017 kritisieren, gilt die Atmosphäre als belastet. Auch eine gemeinsame Spitzenkandidatur von Kipping und Wagenknecht galt als Option.

Doch Kipping und Wagenknecht werden in diesem Leben vermutlich keine Freundinnen mehr. Am Freitag teilte der Geschäftsführende Parteivorstand mit: „Wir stehen am Anfang eines Prozesses.“ Verschiedene Modelle würden nun „gleichberechtigt nebeneinander diskutiert“.

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