55. Münchner Sicherheitskonferenz Sternen-Statement im EU-Kapuzenpulli

München · Zum Auftakt sorgen sich die Europäer um ihre Geschlossenheit. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen mahnt in ungewissen Brexit-Zeiten: „Wir müssen mehr in die Waagschale legen.“

Die Beweislast in Zahlen: erdrückend. Ursula von der Leyen versucht, das Beste daraus zu machen. Die US-Regierung, auf die zahlungsmüden Europäer im Streit über die Verteidigungsausgaben ohnehin sauer, hat ihren Rüstungsetat im vorigen Jahr um welche Summe erhöht? Um 44,5 Milliarden US-Dollar, sagt John Chipman, Direktor des Internationalen Instituts für Strategische Studien. Das ist wohl gemerkt nur die Erhöhung und entspricht in etwa dem deutschen Verteidigungshaushalt. Chipman stimmt damit schon auf den nächsten Streit über die Höhe der Verteidigungsausgaben ein.

Die 55. Münchner Sicherheitskonferenz hat zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht begonnen. Wolfgang Ischinger hat sich da auch noch nicht den EU-Kapuzenpulli mit den gelben Sternen übergestreift, in dem er Stunden später die Konferenz mit einem unmissverständlichen Statement eröffnet: Europa, erwache! Im europäischen Gewand jedenfalls mahnt er: „Europa muss für sich selbst sprechen und handeln.“

Konferenzchef Ischinger hatte am Morgen noch gesagt: „Wir Europäer müssen uns warm anziehen.“ Europa wie auch Deutschland hätten zu lange in dem Glauben gelebt, man sei „nur von Freunden umgeben“ und deshalb sicher. Dies habe „wie eine Schlaftablette gewirkt“. Europa müsse endlich die Zeichen erkennen. Und Europa müsse geschlossen auftreten, wenn es nicht, „etwa von Moskau oder von Peking aus betrachtet“, wirken wolle, „wie ein aufgeregter Hühnerhaufen, der nicht genau weiß, wo er hin will“. Die deutsche Verteidigungsministerin weiß zumindest, wo sie hin soll. Ins Zwei-Prozent-Ziel der Nato bei den nationalen Verteidigungsausgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt, so beschlossen 2014 beim Gipfel von Wales von allen damals noch 28 Nato-Mitgliedern. Deutschland ist davon weit entfernt. Aktuell schafft es gerade 1,3 Prozent, 2024 will Deutschland dann 1,5 Prozent erreicht haben.

Bußgang ohne Wirkung

US-Präsident Donald Trump ist dies viel zu wenig. Beim Nato-Gipfel im Sommer in Brüssel äußerte er seinen Unmut, gerade gegenüber Deutschland, mehr als deutlich. Von der Leyen jedenfalls gelobt Besserung. Ob ihr Bußgang zum Auftakt der Konferenz Mike Pence milder stimmen kann, ist unwahrscheinlich. Der US-Vizepräsident wird an diesem Samstag mehr Geld für Verteidigung bei den Europäern einfordern. Die US-Regierung ist sauer – auf die Deutschen, auf die Europäer, die sich ihre Sicherheit von den Amerikanern bezahlen ließen. Von der Leyen fordert sich in ihrer Rede aber auch selbst: „Wir Europäer müssen mehr in die Waagschale legen. Der amerikanische Ruf nach mehr Fairness in der Lastenteilung ist berechtigt.“ Damit kein Missverständnis aufkommt, stellt die Verteidigungsministerin klar: „Wir wissen, dass wir noch mehr tun müssen. Gerade wir Deutschen. Wir halten am Zwei-Prozent-Ziel fest.“

Von der Leyen spielt die europäische Karte, verspricht auch hier mehr Einsatz, mehr Geld, mehr Abstimmung. „Und auch als Europäer tun wir mehr.“ Man habe sich auf den Weg zur Europäischen Verteidigungsunion gemacht, harmonisiere Planung, Beschaffung und Einsatzfähigkeit. Dadurch entstünden neue europäische Fähigkeiten – „direkt und unmittelbar auch zum Nutzen der Nato“. Europa sei derart gerüstet nun auch in der Lage, selbst auf Krisen zu reagieren. Von der Leyen: „Und auch das ist transatlantische Lastenteilung.“ Die Amerikaner sollen es hören!

Nato "wichtiger denn je"

Konferenzchef Ischinger betont dann auch, es sei „kein Zufall“, dass in Brexit-Zeiten die deutsche Verteidigungsministerin und ihr britischer Amtskollege Gavin Williamson gemeinsam auftreten. Williamson versichert: „Unser Bekenntnis zur europäischen Sicherheit bleibt unverbrüchlich.“ Und: „Wir sehen den Brexit als Chance, um mehr auf der globalen Bühne zu tun.“ Dass sowohl Deutschland als auch Großbritannien ihre Verteidigungsetats erhöhten, „ja, das ist ein Zeichen der wachsenden Bedrohung“. Die Nato bleibe Fundament der europäischen Sicherheit. Mehr noch: „Die Nato bleibt wichtiger als je zuvor, denn ein alter Gegner ist wieder zurück“, spielt Williamson auf Russland an. Und er sagt: „Das Abenteurertum von Russland muss seinen Preis haben.“

Der Brite wählt an diesem Nachmittag düstere Farben für sein Weltgemälde: „Die Welt wird ein immer gefährlicherer und dunklerer Ort.“ Für Europa sei deswegen oberstes Gebot: Geschlossenheit. Gerade in Zeiten eines bevorstehenden Brexit. Einen Stern übrigens hatte Konferenzchef Ischinger auf dem Rücken seines EU-Kapuzenpullis: den Brexit-Stern. Auf der Vorderseite fehlte er. Eine Anspielung auf den bevorstehenden Austritt Großbritanniens aus der EU.

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