Spionage-Skandal erfasst London

London/Berlin/New York · Enthüllungen über die Ausspähung der Teilnehmer von G20-Treffen durch britische Geheimdienste im Jahr 2009 haben einen Schatten auf den G8-Gipfel in Nordirland geworfen. Der britische Abhördienst GCHQ habe vor vier Jahren in großem Stil Informationen zu Passwörtern, E-Mails und Telefongesprächen abgeschöpft, berichtete die Zeitung "Guardian".

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekräftigte, dass sie die Überwachung durch amerikanische Geheimdienste beim Berlin-Besuch von US-Präsident Barak Obama diese Woche zur Sprache bringen werde. Der Informant Edwarf Snowden bekräftigte unterdessen seine Vorwürfe.

Amerikanische Geheimdienst-Analysten könnten Zugang zu Informationen bekommen, egal wonach sie suchen, erklärte Snowden am Montagnachmittag im Internet. "Telefonnummer, E-Mail, Benutzername, Handy-Identifikationsnummer - es macht keinen Unterschied." Die Einschränkungen seien nicht technischer, sondern politischer Natur. Kontrollen seien sehr lückenhaft. Snowden versprach weitere konkrete Details dazu. Der 29-jährige Ex-Geheimdienstler, der den Skandal ins Rollen gebracht hatte, beantwortete über den "Guardian" live Fragen von Internet-Nutzern.

Snowden wies den Verdacht zurück, er sei nach Hongkong geflohen, weil mit chinesischen Behörden zusammenarbeite. "Nein. Ich habe keinen Kontakt mit der chinesischen Regierung gehabt." Wäre er ein chinesischer Agent gewesen, hätte er sich nach Peking abgesetzt.

Unterdessen hallten noch die jüngsten Enthüllung auf Basis von Snowdens Dokumenten nach. Dem "Guardian" zufolge sollen die Briten 2009 Computer von G20-Teilnehmern überwacht und Telefondaten ausgewertet haben. Einige Delegationen seien auch dazu gebracht worden, Internetcafés zu nutzen, die zuvor eigens vom Geheimdienst eingerichtet worden waren. So habe man den E-Mail-Verkehr überwachen und Passwörter erbeuten können. Den Geheimdiensten soll es auch gelungen sein, sich Zugang zu BlackBerry-Geräten zu verschaffen und von dort Dokumente abzugreifen. Beim Treffen der G20-Finanzminister im September sollen rund 45 Analysten rund um die Uhr darüber informiert gewesen sein, wer mit wem telefonierte.

Die Enthüllungen brachten Großbritannien als Gastgeber des Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs der führenden Industriestaaten und Russlands (G8) am Lough Erne in Nordirland unter Druck. Die türkische Regierung bestellte nach Medienberichten als erste Reaktion auf die Enthüllungen den britischen Botschafter in Ankara ein.

Unterdessen dringen weitere Informationen über das Ausmaß der Überwachung durch amerikanische Geheimdienste an die Öffentlichkeit. So berichtete das "Wall Street Journal", der Abhördienst NSA sei befugt, Informationen über den Aufenthaltsort von Anrufern zu sammeln. Allerdings verzichte die NSA darauf, weil es einen zu großen Aufwand bedeuten würde, hieß es unter Berufung auf Beamte.

Merkel sagte vor ihrer Abreise zum G8-Gipfel dem Fernsehsender RTL: "Wir brauchen Transparenz, was mit den Daten der Bürgerinnen und Bürger geschieht." Der Kampf gegen den Terror müsse dem "Gesetz der Verhältnismäßigkeit entsprechen".

Nach Facebook und Microsoft veröffentlichte auch Apple Zahlen zu Anfragen der US-Behörden nach Nutzer-Informationen. Demnach erhielt der iPhone-Konzern in den sechs Monaten von Dezember 2012 bis Ende Mai dieses Jahres zwischen 4000 und 5000 solcher Anträge. Davon seien 9000 bis 10 000 Kundenkonten mit Apple-Geräten betroffen gewesen. Bei dem Großteil der Behördenanfragen gehe es um Polizeiarbeit, wenn etwa nach verschwundenen Kindern gesucht werde oder es darum gehe, einen Selbstmordversuch zu verhindern.

Den Internet-Unternehmen ist es seit dem Wochenende erlaubt, auch bisher geheime Anfragen mit Bezug zur nationalen Sicherheit in die Statistik aufzunehmen. Dabei dürfen sie allerdings nur die Gesamtzahl aller Anfragen in einer Spanne nennen. Google geht das nicht weit genug, der Konzern will auch die Staatssicherheitsanfragen einzeln beziffern können.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort