Nideggen Sparkommissar erhöht im Eifelort die Steuern

Nideggen · Im "Ratskeller" am rustikalen Stehtisch, auf dem die Kölschgläser abgestellt sind, hält man sich mit diplomatischem Geplänkel nicht lange auf. "Nideggen ist doch tot", sagt ein Mittvierziger. Sein Gegenüber versucht's mit Galgenhumor: "Wieso denn das, wir haben doch jetzt einen Sparkommissar. Das hat nicht jeder."

 Bittere Medizin für Nideggen: Ralph Ballast im Eifelstädtchen. Der Sparkommissar soll den Haushalt des mittelalterlichen Ortes in Ordnung bringen.

Bittere Medizin für Nideggen: Ralph Ballast im Eifelstädtchen. Der Sparkommissar soll den Haushalt des mittelalterlichen Ortes in Ordnung bringen.

Foto: dpa

Eine freundliche Untertreibung. Bislang hat der Innenminister noch in keine andere Kommune in Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Stärkungspakts einen Beauftragten gesandt, um die Finanzen vor Ort in Ordnung zu bringen. Ein eher zweifelhaftes Alleinstellungsmerkmal, das Nideggen da aufweist.

Doch so will es das Stärkungspaktgesetz, zu dessen Teilnahme das 11 000 Einwohner zählende Eifelstädtchen vom Land verpflichtet worden war - weniger wegen der 20 Millionen Euro Schulden, sondern weil der Stadtrat nicht verhindern kann, dass auch in den nächsten Jahren viel mehr ausgegeben wird als eingenommen.

Ralph Ballast heißt der Gesandte, ist Jurist und Finanzexperte mit Anstellung bei der Kölner Bezirksregierung. Rund 70 Bürger wollen an diesem Donnerstagabend hören, was der Beauftragte zu sagen hat, darunter auch Mitglieder des Stadtrats, die bis vor kurzem die Geschicke der Stadt lenkten.

Nun sind sie zum Zuschauen verurteilt. Der Beauftragte, so heißt der "Sparkommissar" formell korrekt, ist nun Stadtrat, was auch komische Züge hat. "Der Beauftragte ist anwesend. Die Sitzung ist also beschlussfähig", sagt der Beauftragte. Das Publikum starrt Fragezeichen in die Luft.

Dann geht Ballast in 27 Minuten die Tagesordnung Punkt für Punkt durch. Er erhöht die Steuern: den Gewerbesteuer-Hebesatz von 420 auf 450 Prozent, den Satz der Grundsteuer A von 300 auf 500 Prozent und den Hebesatz der Grundsteuer B (für Grundstücke) von 450 auf 600 Prozent, um dann weitere mittelfristige Planungen zu beschließen. Demnach steigt der Grundstücks-Steuersatz bis 2021 auf satte 990 Prozent. "Als Beauftragter stimme ich dem Beschlussvorschlag zu", sagt Ballast.

"Wer soll das denn bezahlen", hallt es ihm entgegen, hämischer Applaus brandet auf. Ballast geht nicht darauf ein. Später zeigt er im Gespräch mit dieser Zeitung Verständnis für die Aufregung: "Meine Entscheidungen sind Belastungen für die Bürger in Nideggen."

Im "Ratskeller" wird schon gerechnet. "Wenn die Grundsteuer B so kommt wie geplant", sagt einer, "weiß ich nicht, ob ich mir mein Haus noch leisten kann." Tolle Aussichten, aber nicht überraschend. Zumindest nicht so überraschend, als dass CDU-Ratsfraktionschef Markus Fischer nicht schon eine Pressemitteilung zu den Beschlüssen präsentieren könnte: "Dies ist ein denkwürdiger Tag für die Stadt Nideggen."

Das findet auch Bürgermeisterin Margit Göckemeyer. Gerne hätte sie die Sanierung der Stadtfinanzen zusammen mit dem Rat ohne fremde Hilfe gemeistert, sagt die parteilose Verwaltungschefin. Doch die Ratsmehrheit will für die Steuererhöhungen keinen Finger heben. So hat nun Ballast das Sagen."Glauben Sie mir", sagt der Beauftragte, "ich wäre gerne unter anderen Umständen in diese schöne Stadt gekommen." Die Maßnahmen seien notwendig.

Mit den sechsstelligen Finanzspritzen aus dem Stärkungspakt soll die strukturschwache Stadt erstmals 2016 einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen, ab 2021 dann auch ohne die Hilfen des Landes. 850.000 Euro kommen bald aus Düsseldorf - jetzt, nachdem der Sanierungsplan "durch" ist. Die Schlüsselzuweisungen des Landes sind allerdings innerhalb von drei Jahren von vier auf zwei Millionen Euro gesunken.

Weil das Land ihnen einen "Sparkommissar" geschickt und den Stadtrat weitgehend entmachtet hat, sieht mancher Nideggener schon das "Ende der Demokratie" in der Stadt heraufziehen. "Nach dem Stärkungspaktgesetz ist es an der Zeit, einen Beauftragten zu bestellen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Und die liegen vor", hält Ralph Ballast dagegen - so formell korrekt, wie man vielleicht sein muss, wenn man mit einer Aufgabe betraut ist, für deren Erfüllung man ohnehin keine Jubelgesänge erwarten darf.

Im "Ratskeller" am Stehtisch kommt schon so etwas wie Verständnis für den "Beauftragten" Ballast auf. "Der Mann macht halt seinen Job", sagt der Mittvierziger. Ansonsten freue er sich auf die 700-Jahr-Feier der Stadtrechte Nideggens an diesem Wochenende. "Ob der Sparkommissar dann neben der Bürgermeisterin auch auf der Tribüne steht?", fragt einer in den Raum.

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