Keine Kompromisse Sogar Napolitanos Kommission der Weisen stößt in Italien auf Skepsis

Rom · Der Schachzug des italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano, zehn "Weise" zu ernennen, um die Bildung einer Regierung voranzubringen, hat ein Ziel: Die Parteien sollen im Angesicht konkreter Gesetzesvorschläge für die Legislaturperiode keine Ausreden mehr haben und zur Zusammenarbeit gezwungen werden.

Am Dienstag werden die zehn älteren Herren aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Recht beim Präsidenten vorstellig, um ihr Mandat erklärt zu bekommen. 2010 hatte eine ähnliche Kommission in den Niederlanden Erfolg. Ob die Gruppe der zehn "Weisen" auch die Bildung einer Regierung in Italien begünstigen kann, wirkt zu diesem Zeitpunkt eher unwahrscheinlich. Die Reaktionen auf die Entscheidung Napolitanos sind verhalten bis schlecht.

"Schlimmer geht's nicht", urteilte die linksalternative Tageszeitung "Il Fatto quotidiano" und warf dem Staatspräsidenten vor, weder Frauen noch junge Menschen für die Kommission berücksichtigt zu haben. Dem Wunsch nach Wandel würde der Staatspräsident überhaupt nicht nachkommen und damit die Stimmung im Land verkennen.

"Die Entscheidung Napolitanos überzeugt nicht", schrieb auch "Il Giornale", die Zeitung aus dem Besitz der Familie Berlusconi. Das Turiner Blatt "La Stampa" beklagte die "totale Blockade", die sich nach der Parlamentswahl Ende Februar herausgebildet hat. Jetzt wirkt es so, als müsste sich Italien noch länger auf starre Verhältnisse gefasst machen.

Denn auch die Reaktionen der Parteien auf die Kommission des Präsidenten waren skeptisch. Die zehn Männer, darunter Politiker oder Persönlichkeiten, die entweder der Mitte-Links-Partei, dem Berlusconi-Lager oder der Regierung von Mario Monti nahestehen, sollen in kurzer Zeit konkrete Vorschläge für institutionelle und wirtschaftliche Reformen unterbreiten, etwa die Reform des Wahlrechts und Maßnahmen zur Förderung der Wirtschaft.

Vertreter der von Pier Luigi Bersani geführten Demokratischen Partei (PD) beglückwünschten Napolitano zu seiner Entscheidung, äußerten sich aber zurückhaltend zu den Erfolgsaussichten der Kommission. Auch die Reaktionen der Berlusconi-Partei "Volk der Freiheit" (PdL) klangen eher unversöhnlich. Parteisekretär Angelino Alfano wiederholte seine Forderung nach einer "Großen Koalition oder Neuwahlen".

Die Frage ist, ob die Kommission die persönlichen Differenzen der beiden größten Lager überwinden kann. PD-Chef Bersani, der mit der Bildung einer Regierung in der vergangenen Woche gescheitert war, wehrt sich bislang gegen jede Art von Zusammenarbeit mit Silvio Berlusconi.

Die Linke fürchtet, dass der Ex-Premier vor allem an einer persönlichen Garantie zur Straffreiheit interessiert ist. Berlusconi, der in mehreren Prozessen angeklagt ist, kann sich diese vermeintliche Starrheit der Linken zu Nutze machen. Er setzt öffentlich auf Kooperation und spekuliert auf Neuwahlen. In einigen Umfragen liegt seine Partei inzwischen vorne.

Die Kooperation der alternativen Fünf-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo, die wie PD und PdL knapp ein Drittel der Stimmen erzielte, sucht die Kommission ganz offensichtlich nicht. Grillo hatte unabhängige und der Politik ferne Persönlichkeiten in verantwortlichen Positionen gefordert. Diese Forderung berücksichtigte Napolitano nicht. Die "Weisen" entsprechen der herkömmlichen politischen Nomenklatur Italiens.

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