Im Porträt So tickt Italiens Ministerpräsident in spe

Rom · Juraprofessor Giuseppe Conte soll neuer italienischer Ministerpräsident werden. Als Revolutionär gilt der Juraprofessor nicht gerade.

 FILE -- Feb. 27, 2018 file photo showing Giuseppe Conte, in Rome. Conte is mentioned by Italian media as a leading candidate to become a new Italian government premier. (Angelo Carconi/ANSA via AP)

FILE -- Feb. 27, 2018 file photo showing Giuseppe Conte, in Rome. Conte is mentioned by Italian media as a leading candidate to become a new Italian government premier. (Angelo Carconi/ANSA via AP)

Foto: AP

Wie ein Revolutionär sieht Giuseppe Conte nicht aus. Der Juraprofessor, der auf dem besten Weg ist, italienischer Ministerpräsident einer von Populisten geführten Regierung zu werden, tritt ausgesprochen gepflegt auf. Stets erscheint er im Anzug, Conte liebt Anzugwesten, Manschettenknöpfe, Einstecktücher.

Conte ist kein Gewächs der 2009 vom Satiriker Beppe Grillo gegründeten Fünf-Sterne-Bewegung, steht ihr aber seit einigen Jahren nahe. 2014 loteten Parteimitglieder eine Kandidatur des Zivilrechtsprofessors für das Selbstverwaltungsorgan der italienischen Verwaltungsgerichtsbarkeit aus, der Jurist akzeptierte. Im Wahlkampf präsentierten die Fünf Sterne Conte schließlich als Ministerkandidaten für Öffentliche Verwaltung und „Entbürokratisierung“. Der hemmenden und förderlichen Wirkung von Gesetzen widmete sich Conte in seinen Studien, die ihn zuletzt als Professor an die Universität Florenz sowie an die renommierte Privatuni Luiss in Rom führten. Offenbar hat der Anwalt aber auch die Gabe, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Obwohl Conte zugibt, früher „links gewählt“ zu haben, genießt er nicht nur das große Vertrauen der Fünf-Sterne-Bewegung, sondern kann sich zudem einflussreicher Freundschaften rühmen. Zu seinen engeren Kontakten sollen die Ex-Ministerin Elena Maria Boschi sowie verschiedene Prälaten im Vatikan zählen.

Es ist nicht unbedingt das Profil, das man vom Führer einer Populisten-Regierung erwartet. Während die Fünf-Sterne-Bewegung ideologisch kaum in feste Schemata zu fassen ist, hat der Regierungspartner Lega ein klar nationalistisches und fremdenfeindliches Profil. Ursprünglich forderten Lega-Chef Matteo Salvini und sein Fünf-Sterne-Pendant Luigi Di Maio selbst das Amt des Ministerpräsidenten für sich, blockierten sich aber gegenseitig. Ein Kompromisskandidat musste her. Am Montagabend teilten Di Maio und Salvini Staatspräsident Sergio Mattarella mit, dass Conte ihr gemeinsamer Kandidat sei. Dass Mattarella Conte grünes Licht gibt, gilt als wahrscheinlich.

Allerdings soll das Staatsoberhaupt auch Zweifel angemeldet haben. In erster Linie harrt die Frage einer Antwort, wie Conte ohne jegliche politische Erfahrung eine Exekutive mit sehr unterschiedlichen Partnern führen kann, die 2300 Milliarden Euro Staatsschulden verwaltet und die Neuverhandlungen wichtiger EU-Parameter fordert. Hinter diesen Zweifeln verbirgt sich die Sorge, der künftige Premier könnte von Di Maio und Salvini ferngesteuert werden. In dieser Hinsicht nicht gerade vertrauensfördernd wirken die Ungenauigkeiten im Lebenslauf des Professors. Conte gibt an, sein Jurastudium unter anderem an den Universitäten Yale, an der Pariser Sorbonne, in Cambridge, Wien sowie an der New York University perfektioniert zu haben. Eine Nachfrage der New York Times ergab aber, dass in der Universitätsdatenbank der New York University kein Student oder Fakultätsmitglied mit dem Namen Giuseppe Conte verzeichnet ist. Conte will dort seinem Lebenslauf zufolge aber zwischen 2008 und 2012 jährlich mindestens einen Monat studiert haben.

Das Internationale Kulturinstitut in Wien, an dem Conte laut Lebenslauf ebenfalls seine Jurastudien perfektioniert haben will, ist eine Sprachschule. An Fleiß und wissenschaftlicher Produktivität Contes scheint es immerhin keine Zweifel zu geben. „Ich habe mein ganzes Leben mit Büchern verbracht“, sagt der Jurist, der geschieden ist und einen 10-jährigen Sohn hat.

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