Abgelehnte Asylbewerber in Deutschland So funktioniert das Abschiebungsverfahren

Berlin · 72 Afghanen ohne Schutzanspruch haben die Behörden in diesem Jahr in ihre Heimat zurückgeführt. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Verfahren.

 Die Zahl der Abschiebungen in Deutschland steigt.

Die Zahl der Abschiebungen in Deutschland steigt.

Foto: dpa

Der verheerende Bombenanschlag in Kabul hat die Abschiebepraxis Deutschlands in den Mittelpunkt gerückt. Nach den großen Flüchtlingszahlen von 2015, den Entscheidungen des Flüchtlingsbundesamtes von 2016 will Bundeskanzlerin Angela Merkel 2017 die Abschiebungen zur „nationalen Kraftanstrengung“ machen. Die wichtigsten Fragen:

Was sind die Rechtsgrundlagen für eine Abschiebung?

Das im Zuge der Flüchtlingsdynamik mehrmals geänderte Aufenthaltsgesetz regelt in seinen Paragrafen 58 bis 60a, dass Ausländer nur abgeschoben werden dürfen, wenn sie nach eingehender Überprüfung weder als Asylbewerber noch als Flüchtling Anspruch auf Schutz oder Aufenthalt haben. Sie erhalten dann eine Ausreiseaufforderung mit Abschiebeandrohung. Wenn sie nach der gesetzten Frist (zumeist ein Monat) der Ausreisepflicht nicht nachgekommen sind, liegt das Verfahren nicht mehr beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), sondern bei den Ausländerbehörden der Länder, die dann den Vollzug mit Hilfe der Polizei übernehmen sollen.

Wie gehen die Länder mit Abschiebungen um?

Vor allem die von Rot-Rot-Grün regierten Länder Thüringen und Berlin bemühen sich, Abschiebungen zu vermeiden. Laut Koalitionsvertrag hält die Regierung in Berlin Abschiebehaft und Abschiebegewahrsam „grundsätzlich für unangemessen“. Sie hat sich auch darauf verständigt, alle aufenthaltsrechtlichen Möglichkeiten für einen Verbleib „auszuschöpfen“. Die alte Landesregierung in Schleswig-Holstein hatte einen Abschiebestopp für Afghanen verfügt, andere beschränken Abschiebungen auf Kriminelle und Gefährder.

Wie wurde das Aufenthaltsrecht verändert?

Es ging einerseits in die Richtung, die Integration mit Sprachkursen zu fördern und jungen Menschen mit Bleibeperspektive die Angst vor Abschiebung während einer Ausbildung zu nehmen. Andererseits wird gegen Missbrauch schärfer durchgegriffen. Wer an seiner eigenen Identifizierung nicht mitwirkt oder vorsätzlich falsche Angaben macht, muss im Bezirk einer Ausländerbehörde bleiben. Das Flüchtlingsbundesamt kann auch die Smartphones auswerten, um die Identität zu klären. Gefährder können mit Fußfesseln überwacht und leichter in Abschiebungshaft genommen werden.

Wie laufen Abschiebungen ab?

Die Regel sind Abschiebungen durch die Länderpolizeien, die die Ausländer in ihre Heimat begleiten. Zusätzlich organisiert die Bundespolizei Sammelabschiebungen, für die die Länder die Betroffenen zu einem Sammelplatz bringen. Dort durchlaufen sie mehrere Stationen mit Identitätsfeststellung, Gesundheits-Check und Gepäck-Kontrolle. Dann geht es mit einem eigens dafür gecharterten Flieger in die Heimatländer, wo sich Botschaftsangehörige um die Ankömmlinge kümmern.

Was schützt vor Abschiebung?

Zunächst schon die Einschätzung des Bundesamtes, dass einem Antragsteller ohne Schutzanspruch Gefahr für Leib und Leben in seinem Heimatland droht. Dann erlässt das Bamf ein förmliches Abschiebungsverbot, das regelmäßig überprüft wird und dann auch wieder aufgehoben werden kann. Außerdem können schwere Erkrankungen die Abschiebung verzögern. Nicht selten kommt es zusätzlich zu einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren, das einige Zeit in Anspruch nehmen kann.

Wie häufig kommt es zu Abschiebungen?

Im vergangenen Jahr kamen Bund und Länder nach Daten des Bundesinnenministeriums auf rund 25 000 Abschiebungen. Zuvor waren es weniger als die Hälfte. Allein im ersten Quartal 2017 wurden schon 8600 Personen in ihre Heimatländer abgeschoben. Nach Schätzungen leben rund 200.000 Ausreisepflichtige in Deutschland.

In welche Länder schieben die deutschen Behörden ab?

Abgelehnte Asylbewerber werden vor allem in Richtung Balkan abgeschoben. Die fünf wichtigsten Länder sind: Albanien, Kosovo, Serbien, Mazedonien und Moldau. Abschiebungen nach Afghanistan finden nur in geringem Umfang statt. Zwischen 2013 und 2015 lag die Anzahl nach Angaben des Innenministeriums unter zehn. In diesem Jahr wurden bisher 72 Afghanen in ihre Heimat abgeschoben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort