Umstrittenes Staatsoberhaupt der USA So erfolgreich ist Trumps Präsidentschaft

Washington · Wo stehen die USA nach einem Jahr Donald Trump? Eine Bilanz der ersten zwölf Amtsmonate des US-Präsidenten in Schlaglichtern.

Es ist von hoher Symbolik, dass der Vorabend des ersten Jahrestags der Präsidentschaft Donald Trumps mit der akuten Gefahr eines Regierungsstillstands in Washington einherging. Wieder einmal beharkten sich Republikaner und Demokraten im Kongress. Es ging darum, in letzter Minute sicherzustellen, dass der Staatsapparat finanziell flüssig bleibt. Gerade in solchen Momenten wäre der erste Mann im Staat als besonnener und überparteilicher Kompromissstifter gefragt. Aber Trump, darin sind sich die politischen Kommentatoren in den USA einig, geht die Fähigkeit ab, in krisenhaften Momenten mit Vernunft und Geschick Streit zu schlichten. Wo steht Trump nach den ersten zwölf Monaten? Die wichtigsten Schlaglichter:

Der größte Erfolg: Die Wirtschaft brummt. Die Arbeitslosigkeit liegt bei vier Prozent, viele Firmen suchen nach geeignetem Personal. Seit Trump amtiert, sind rund zwei Millionen Arbeitsplätze geschaffen worden. Am steilsten zeigt der Pfeil an der Börse nach oben. Industrieriesen wie Apple holen im Ausland geparkte Gewinne in die USA zurück. Experten sind sich aber einig, dass Trump den Status quo nur bedingt für sich beanspruchen kann. „Zum einen bewegt sich Amerika im Strom einer mehrheitlich blühenden Weltwirtschaft“, heißt es bei den Analysten der Weltbank in Washington, „zum anderen sind die Grundlagen zu Zeiten von Vorgänger Barack Obama gelegt worden, als in manchen Jahren mehr Wachstum erzielt wurde als heute.“

Geschafft: Trump hat im Verein mit den Republikanern mit knapper Mehrheit eine große Steuerreform gestemmt. Dazu kommen der Rückzug aus dem transpazifischen Freihandelsabkommen; der umstrittene Einreisebann für Menschen aus acht muslimisch dominierten Ländern, der noch unter dem Vorbehalt einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes steht; der massive Abbau von Auflagen im Umwelt- und Naturschutz; die Teildemontage der Krankenversicherung seines Vorgängers Obama; das militärische Zurückdrängen des Terrornetzwerks Islamischer Staat in Syrien und im Irak; die prestigeträchtige Installierung eines erzkonservativen Richters am Obersten Gerichtshof und Dutzender Juristen an untergeordneten Bundesgerichten.

Nicht geschafft: Der Bau einer Mauer gegen Drogen und illegale Einwanderer an der Grenze zu Mexiko steht weiter aus. Auch die Generalüberholung des Handelsabkommens Nafta mit Kanada und Mexiko – oder der Ausstieg – lässt weiter auf sich warten. Die Beseitigung des Handelsdefizits mit China – mindestens die angedrohte Verhängung von Strafzöllen von 45 Prozent für bestimmte Güter wie Stahl – ist ebenfalls unerledigt. Das milliardenschwere Infrastruktur-Ertüchtigungsprogramm für Straßen, Brücken und Häfen, die Einrichtung einer neuen Krankenversicherung anstelle von „Obamacare“ und die versprochene Aufkündigung des Atomdeals mit dem Iran sind weiter in der Pipeline.

Beliebtheit: Trump ist im Volk so unbeliebt wie keiner seiner Vorgänger. Nur zwischen 35 und 39 Prozent der Wähler sind mit Trump zufrieden. Die Mehrheit ist enttäuscht oder lehnt den Geschäftsmann partout ab. Zum Vergleich: Vorgänger Obama hatte nach einem Jahr eine Zustimmungsquote von 50 Prozent, Bill Clinton lag bei 54 Prozent. Was auffällt: Auch in den Wählerkreisen und den Bundesstaaten, die Trump bei der Wahl 2016 besonders gewogen waren, bröckelt die Zufriedenheit schleichend ab. Auch darum geht der Präsident regelmäßig im Stile eines Wahlkämpfers ins Land, um seine Anhänger bei Laune zu halten.

Regierung: Nach wie vor sind Hunderte Schlüsselpositionen in vielen Ministerien nicht besetzt. Das Außenministerium, die US-Visitenkarte in der Welt, ist zu einem Nebendarsteller verkümmert. Etliche Hauptstädte – auch Berlin – haben noch immer keinen Botschafter. Parallel dazu verschleißt Trump so viel Spitzenpersonal wie kaum ein Vorgänger. Weil Trump alle Pfeile auf sich zieht, bleibt das Wirken seines Kabinetts öffentlich oft unterbelichtet. Dort geschehen zentrale Umwälzungen: Bildungsministerin Betsy DeVos, entmachtet öffentliche Schulen zugunsten privater Lehreinrichtungen. Umweltminister Rick Perry schafft mit Unterstützung des Chefs der Umweltbehörde Epa, Scott Pruitt, am Fließband Umwelt- und Verbraucherschutzvorschriften ab. Innenminister Ryan Zinke verkleinert zum Frommen von Energieunternehmen Naturschutzgebiete.

Politische Lage: In zehn Monaten kriegt der Präsident sein Zwischenzeugnis ausgestellt. Trump muss die Halbzeitwahlen im Kongress fürchten. Nach aktuellen Erhebungen drohen die Republikaner im Repräsentantenhaus wie im Senat die Mehrheit zu verlieren. Die Demokraten haben in Umfragen einen Vorsprung von zehn Prozent. Käme es im November für die „Grand Old Party“ dicke, und wenn auch nur in einem „Haus“, dann droht Trump nicht nur wirksame Blockadepolitik, wie sie einst Obama von den Konservativen erfahren durfte. Die Einleitung eines langes Amtsenthebungsverfahren, das sich wie Mehltau über den Rest der Amtszeit legen würde, wäre programmiert.

Gesellschaftliches Klima: Viele Amerikaner fühlen sich mittlerweile hilflos und erschöpft durch das tägliche Twitter-Bombardement des Präsidenten. Es verbreitet sich die Meinung, dass dem dutzendfach der Lüge überführten Populisten mit faktenbasierten Nachweisen nicht beizukommen ist. Dazu kommt: Anstatt zu einen, trägt Trump zur Spaltung bei. Globalisierungsbefürworter müssen sich von Wirtschaftsnationalisten beschimpfen lassen. Auch zwischen Schwarz und Weiß sowie zwischen neuen Einwanderern und Einheimischen ist die Kluft größer geworden. Trumps Wortbeiträge zu ethnisch oder politisch kontroversen Ereignissen „haben dagegen Rassisten, Islam-Hassern, Rechtsextremen und dem Ku-Klux-Klan zu neuem Selbstbewusstsein verholfen“, merkt das Southern Poverty Law Center in Alabama an.

Lichtblicke: Die Medien funktionieren als vierte Gewalt hervorragend, sagen Wissenschaftler der Columbia-Universität. „New York Times“ und „Washington Post“, Flaggschiffe bei den täglichen Enthüllungen des Treibens im Weißen Haus, haben ihre Leserschaft vergrößert. Dagegen hat das Trump-treue TV-Netzwerk Fox News mit leicht sinkenden Quoten zu kämpfen. Trumps „Fake News“-Mantra verfängt nur in seiner unberirrbaren Kernwählerschaft. Als weiterer positiver Akzent gilt: Bei der Außendarstellung hört Trump zwar nicht auf seinen Chefdiplomaten Rex Tillerson, dafür aber auf Verteidigungsminister James Mattis, der es durch unerschrockenes und behutsames Wirken zum Stabilitätsfaktor in einer ansonsten wackelnden Regierung gebracht hat.

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