Kommentar zur 22. Weltklima-Konferenz Signale contra Fakten

Meinung | Bonn · Während aus Marrakesch positive Signale und Botschaften in die Welt gesetzt werden, beschreibt die Internationale Energieagentur die nähere Zukunft völlig anders: Bis 2040 wird der Ölverbrauch weiter steigen, obwohl Wind und Sonne immer mehr Strom produzieren.

Die 22. UN-Weltklima-Konferenz begann, tagte rund zwölf Tage und endete, ohne dass sie in die Schlagzeilen der Weltpresse geriet. Nur kurz nach der US-Wahl flackerte „Marrakesch“ mit einer Frage auf: Wie reagieren die Delegierten auf die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten? Die Antwort war so unspektakulär wie die gesamte Klimakonferenz: Wir machen weiter bei dem Versuch, die Erdtemperatur „deutlich unter zwei Grad“ zu halten. Weil zuvor nicht beschlossen wurde, dass in Marrakesch etwas zu beschließen sei, gab es auch keine Beschlüsse.

Trotzdem herrschte Euphorie, weil mehr als 45 arme und besonders vom Klimawandel betroffene Länder ein starkes Zeichen sendeten: Wir steigen aus der Kohle aus. Es sind solche Taten, die nun das Pariser Klimaschutzabkommen mit Leben füllen sollen – mit Taten, die zu etwas Messbarem führen, etwa zu geringeren Kohlendioxid-Werten in der Erdatmosphäre. Doch verursachen die Kohleausstiegswilligen nur einen Bruchteil der Erderwärmung.

Deutschland konnte sich dazu jedenfalls nicht durchringen. Heute erscheint es, als sei bei der Energiewende die richtige Reihenfolge der Schritte durcheinandergeraten. Erst Atomausstieg, dann die klammheimliche Renaissance der klimaschädlichen Kohle, die heute Deutschlands Treibhausgas-Bilanz verhagelt. Natürlich votiert der Bürger vor der Steckdose für beides: für Atomausstieg und für mehr Klimaschutz. Doch was das für die Stromproduktion hinter der Steckdose bedeutet, wurde nie laut ausgesprochen. So lässt sich auch vor der Steckdose deutlich der Trend zum Postfaktischen erkennen – jener modernen Vokabel, die ausdrücken soll, dass die Wirklichkeit ein Kaugummi ist, den sich jeder nach Gutdünken zurechtformen kann.

Das lässt sich fortsetzen: Während aus Marrakesch positive Signale und Botschaften in die Welt gesetzt werden, beschreibt die Internationale Energieagentur (IEA) die nähere Zukunft völlig anders. Bis 2040 werde der Ölverbrauch weiter steigen, obwohl Wind und Sonne immer mehr Strom produzieren. Doch gerade im Transportsektor zu Wasser und in der Luft gebe es (noch) keine Alternativen. Will die internationale Klimaschutzpolitik ihr Zwei-Grad-Ziel erreichen, müssten bis 2040, so die IEA, rund 700 Millionen Elektroautos auf der Erde rollen. Aktuell sind es rund 1,3 Millionen. Allein diese Diskrepanz spiegelt, wie lang der Weg vom Ist zum Soll tatsächlich ist. Damit korrespondiert die Summe aller nationalen Klimaschutzpläne, die die globale Erwärmung gerade einmal auf 2,7 Grad Celsius gegenüber vorindustrieller Zeit begrenzt.

Vielleicht gelingt der große Wurf Ende 2017 in Bonn, wo der 23. UN-Klimagipfel stattfinden wird. Zuvor heißt es jedoch am Ende dieses Jahres wieder: Der Kohlendioxid-Gehalt der Lufthülle ist weiter gestiegen. Als gäbe es null Fortschritt beim Klimaschutz.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Jan Drebes, Berlin,
zu russischer Spionage
Ende der Naivität
Kommentar zu russischer Spionage in DeutschlandEnde der Naivität
Zum Thema
Aus dem Ressort