Außenpolitik Sicherheitskonferenz im Zeichen des US-Regierungswechsels

München · Bei der 53. Auflage des Münchner Treffens richten sich alle Augen auf Trumps Vize Mike Pence. Insgesamt sind 47 Außenminister und 30 Verteidigungsminister gemeldet.

 Zum neunten Mal leitet Wolfgang Ischinger die Konferenz.

Zum neunten Mal leitet Wolfgang Ischinger die Konferenz.

Foto: dpa

Wolfgang Ischinger hat das Haus wieder voll. Ausverkauft bis auf den letzten Platz. „Wir können uns überhaupt nicht retten vor Teilnehmern“, sagt der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, die an diesem Wochenende wieder Staats- und Regierungschefs sowie Minister aus Ländern auf eine Bühne bringt, die sonst teilweise nur unter Zwang miteinander reden. Seit 2008 leitet der frühere deutsche Botschafter in Washington und London die renommierte Sicherheitskonferenz. Die Teilnehmer dieser 53. Auflage der Konferenz, bei der Ischinger nun zum neunten Mal Regie führt, sehen mit großer Erwartung auf den ersten außenpolitischen Aufschlag der neuen US-Regierung. Ischingers „Neunte“ wird vielleicht seine spannendste – und hoffentlich keine unvollendete.

Präsident Donald Trump hat zur außenpolitischen Standortbeschreibung seinen Vize Mike Pence über den Atlantik an den Promenadeplatz nach München geschickt. Verteidigungsminister James Mattis wird in der bayerischen Landeshauptstadt gleichfalls mit von der Partie sein, ebenso Heimatschutzminister John Kelly. Doch Pence soll den Akzent setzen.

Ischinger, 70 Jahre, Berufsdiplomat, hat in den vergangenen Wochen zahlreiche Gespräche in den USA geführt. Wenn er die diplomatischen Floskeln korrekt dechiffriert hat, wird Pence in München ein irgendwie geartetes Bekenntnis zur Nato abliefern – verknüpft mit der Forderung, die Nato-Europäer mögen endlich, wie auf den Nato-Gipfeln 2014 in Wales und 2016 in Polen beschlossen, ihre Verteidigungsetats auf zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes (BIP) aufstocken. Erst am Mittwoch hatte US-Verteidigungsminister James Mattis bei seinem ersten Treffen mit Nato-Partnern in Brüssel damit gedroht, das US-Engagement im Bündnis zurückzufahren, sollten die Verbündeten nicht endlich selbst mehr für ihre Sicherheit ausgeben.

Auch Deutschland hat mit einem Verteidigungsetat von derzeit 1,2 Prozent des BIP noch erkennbar Lieferschwierigkeiten. Ischinger spricht sich dabei für mehr Realitätssinn aus: Die Höhe des Wehretats müsse sich „aus einer kühlen Berechnung der deutschen sicherheitspolitischen Interessen“ ergeben. Es gehe darum, was die Bundeswehr brauche, um das Land zu schützen.

Gastgeber Ischinger hat die Münchner Sicherheitskonferenz mit Übernahme des Vorsitzes im Jahr 2008 schrittweise zur weltweiten Marke ausgebaut. Entsprechend hoch ist das Interesse. Neben US-Vize Pence und dem neuen UN-Generalsekretär Antonio Guterres sind in München von deutscher Seite Bundeskanzlerin Angela Merkel, Außenminister Sigmar Gabriel, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, Innenminister Thomas de Maizière und Finanzminister Wolfgang Schäuble vertreten. Ukraines Präsident Petro Poroschenko ist wieder dabei, ebenso der russische Altmeister, Außenminister Sergej Lawrow. Insgesamt sind 47 Außenminister und 30 Verteidigungsminister gemeldet. Das Gebiet um das Konferenzhotel wird zur Hochsicherheitszone.

Ischinger macht sich wegen des Beifalls von US-Präsident Trump für den Brexit große Sorgen. Wenn er damit die Fliehkräfte in der EU befeuert und den Austritt weiterer Länder aus der EU fördert, „das wäre, ohne Waffen, eine Kriegserklärung“, so der gemeinhin besonnene Diplomat. „Trump macht mir Angst“, sagt Ischinger, wenn dieser erkläre, er vertraue Russlands Präsident Wladimir Putin erst einmal genauso wie Bundeskanzlerin Merkel, weil er damit zu Russland dieselbe Nähe oder Distanz herstelle wie zum vertrauten Partner Deutschland.

Ischinger hofft, wenn er am Sonntag nach Hause geht, sagen zu können: „Die Befürchtungen waren groß. Sie sind jetzt ein kleines bisschen kleiner.“ In einer Welt in Aufruhr und Unordnung ist ein bisschen mehr Klarheit auch schon etwas.

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