Flüchtlingslager in Griechenland Schwindende Hoffnung in nassen Zelten

Bonn · Viele Flüchtlingslager in Griechenland sind überfordert und unterfinanziert. Das Geld reicht kaum noch für das Nötigste. Gerade für ältere Menschen und Kinder ist die Situation bedrohlich.

 Ein Migrant reinigt vor seinem Zelt am Flüchtlingslager Souda auf der Insel Chios ein Brett, das ihm als provisorische Unterlage dient.

Ein Migrant reinigt vor seinem Zelt am Flüchtlingslager Souda auf der Insel Chios ein Brett, das ihm als provisorische Unterlage dient.

Foto: dpa

Der Boden nass und aufgewühlt, die Zelte vollgesogen mit Wasser. Im Inneren sitzen ganze Familien, suchen Schutz vor den Regenfällen. Mehrere Tage geht das schon so im Flüchtlingscamp von Cherso in der Nähe von Thessaloniki, im Norden Griechenlands. Die Erinnerung ist noch frisch bei Helge Dresen. Der Bonner Student war im Sommer 2016 als Helfer der deutsch-griechischen Nichtregierungsorganisation „Naomi“ vor Ort und half mit, Gräben auszuheben, um das Wasser in geordnete Bahnen zu lenken – ohne Erfolg. Das Camp wurde überschwemmt. Der heute 25-Jährige blickt mit Sorge zurück. „Vor allem im Winter bei zunehmender Kälte können solche Situationen für die Menschen in den Lagern bedrohlich werden“, erläutert Dresen, der neben seinem Studium für die Uno-Flüchtlingshilfe in Bonn arbeitet.

Etwa 50.000 Flüchtlinge leben nach Angaben der Vereinten Nationen aktuell in Griechenland. Vor allem die Situation auf den Inseln wie Lesbos, Chios und Samos ist weiterhin kritisch. Seit Juli 2017 haben rund 19.800 Migranten griechischen Boden erreicht. Die Aufnahmezentren („Hot-Spots“) sind hoffnungslos überfüllt. Seit Mitte Oktober wurden bereits etwa 6000 Flüchtlinge auf das griechische Festland gebracht, um die Situation zu entspannen. Trotzdem sitzen noch immer rund 10.000 Menschen in den Camps auf den Inseln fest – doppelt so viele wie ursprünglich geplant. Viele Menschen leiden unter den negativen Auswirkungen auf ihre körperliche und geistige Gesundheit.

Dresen war als Helfer vor allem auf dem griechischen Festland im Einsatz. Doch auch hier machte er bedrückende Erfahrungen. „Mir ist aufgefallen, dass es eigentlich viel zu wenig Zelte für zu viele Menschen gibt“, erinnert er sich. Einblicke hinter die Zeltvorhänge zeigten ihm, dass es so etwas wie Privatsphäre in den Flüchtlingslagern häufig nicht gibt. „In einem Zelt, in dem ich gewesen bin, mussten mehrere Menschen, die sich wohl auch nicht kannten, auf engstem Raum leben“, beschreibt Dresen die Situation in den Camps.

Um die Lage dort zu verbessern, ist das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR auf freiwillige Spenden angewiesen. Doch die fallen derzeit viel geringer aus als benötigt, sagt Peter Ruhenstroth-Bauer, Generaldirektor der Uno-Flüchtlingshilfe, die das UNHCR unterstützt. Für die im September 2017 gestartete UNHCR-Winterhilfe seien ursprünglich 208 Millionen Euro veranschlagt worden. Bislang sei lediglich die Hälfte dieses Betrages beim UNHCR eingegangen.

Für Ruhenstroth-Bauer ist das ein Anlass zur Sorge. Schließlich habe 2015 ein solcher Mangel an finanziellen Mitteln dazu geführt, dass die Essensrationen für syrische Flüchtlinge halbiert werden mussten – mit katastrophalen Folgen. Noch im selben Jahr machten sich viele Menschen auf den Weg nach Deutschland. „Und wenn ich ehrlich bin: Als Familienvater mit Frau und Kindern hätte ich wohl ähnlich gehandelt“, sagt Ruhenstroth-Bauer.

Einige Flüchtlinge erleben nun schon ihren siebten Winter in Folge in einem Camp. Das UNHCR ist nicht in der Lage, den Flüchtlingen genügend Heizöfen, Kerosin und Thermodecken bereitzustellen. Außerdem ist die Instandsetzung von baufälligen Notunterkünften gefährdet. Zelte können nicht ausreichend isoliert, die Camps nicht von Regenwasser oder Schnee trockengelegt werden – eine Situation, die vor allem für ältere Menschen, chronisch Kranke und Kinder lebensbedrohlich ist.

Wenn sich die Lage in den Flüchtlingscamps nicht bald bessern sollte, befürchtet Ruhenstroth-Bauer einen weiteren massenhaften Aufbruch gen Westen: „Wenn ihnen nicht geholfen wird, ist das auch oft der letzte Ausweg.“ Für den Generaldirektor der Uno-Flüchtlingshilfe gibt es zwei Ursachen für das Problem. Zum einen fehle eine Regelung, wonach UN-Mitgliedsstaaten verpflichtet sind, bestimmte Beiträge an die Flüchtlingshilfe zu zahlen. „Das UNHCR muss ständig zu den nationalen Regierungen laufen und um Geld bitten.“ Zum anderen gebe es zu wenig Menschen, die bereit sind, freiwillig zu spenden. „Unser Ziel ist, dass jeder Bürger in Deutschland pro Jahr einen Euro zahlt“, erläutert Ruhenstroth-Bauer. So kämen immerhin über 80 Millionen Euro zusammen. Im Jahr 2017 seien es gerade einmal 27 Millionen Euro gewesen.

Die finanziellen Engpässe in der Flüchtlingshilfe hat Dresen in den Camps in Griechenland deutlich wahrnehmen können. Er erinnere sich noch an eine Situation, als eine Familie ihn zu einem Kaffee in ihr Zelt eingeladen hatte. Immer wieder sei es zu Stromausfällen gekommen. „Es gab in den Camps teilweise nicht genug Elektrizität, um den Wasserkocher anzuschalten oder das Handy aufzuladen“, berichtet der Bonner Student. Er habe den Familienmitgliedern angemerkt, wie sehr die Umstände sie belasten. Doch beschwert hätten sie sich kaum. Und so schlürften sie ihren Kaffee – im viel zu kleinen Zelt, bei flackerndem Licht.

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