BAPP Schweizer Botschafter und NRW-Minister diskutieren

BONN · Als Norbert Walter-Borjans Ende der 2000er Jahre noch nicht nordrhein-westfälischer Finanzminister, sondern Kämmerer in Köln war, begann sein damaliger Arbeitgeber damit, Bürgerhaushalte aufzustellen.

Zunächst ging es um Straßen und Plätze sowie Bildung und Schule. 10.000 Eingaben kamen im ersten Jahr, 12.000 im zweiten, doch als sich die Kölner dazu äußern konnten, wo sie Einsparmöglichkeiten sehen, da gingen nur 3700 Vorschläge ein. Für Walter-Borjans ist die Sache klar: Wenn es ums Sparen geht, haben die Bürger weniger Interesse an der direkten Demokratie.

Seine Meinung äußerte der NRW-Finanzminister am Montagabend vor rund 90 Besuchern in der Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik (BAPP). Mit dabei in der Diskussion zum Thema "Mitsprache erwünscht? - Bürgerbeteiligung in der Finanzpolitik", die GA-Chefredakteur Andreas Tyrock moderierte: der Soziologe Michael Opielka, Direktor des Berliner Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, und der Schweizer Botschafter in Deutschland, Tim Guldimann.

Beide - Opielka wie Guldimann - teilten Walter-Borjans' Haltung allerdings nicht. Sie stimmten sogar der These zu, dass mehr Bürgerbeteiligung in Städten und Gemeinden die Möglichkeit bietet, eher zu ausgeglichenen Haushalten zu kommen. Es entwickele sich eine "Kultur der Volksselbsterziehung". Die Bürger gingen mit Verantwortung besser um, sagte Opielka. Und Guldimann meinte: "Die direkte Demokratie hilft beim Sparen." Wenn Bürger über das Geld entscheiden könnten, "machen sie eher mit".

Für Walter-Borjans ist das unrealistisch. Städte im Ruhrgebiet wie Duisburg oder Oberhausen seien deswegen so hoch verschuldet, weil sie die Folgen von Bundesgesetzen zu tragen hätten und aufgrund des Strukturwandels eine ungünstige Sozialstruktur aufwiesen. Wenn diese Städte allein mit den Erlösen aus selbst erhobenen Steuern zurecht kommen sollten, dann müssten die Bürger dort weitaus höhere Lasten tragen als in anderen Kommunen, so der Minister.

Guldimann verwies auf die Mehr-Ebenen-Finanzhoheit in der Schweiz. Dort hätten sowohl die Gemeinden als auch die Kantone und der Bund die Möglichkeit, Steuern zu erheben, so dass auf allen Ebenen die Bürger spürten, wenn etwas schief laufe. Zum Beispiel in Leukerbad, einem Touristendorf im Kanton Wallis, das jahrelang über seine Verhältnisse lebte und jetzt eisern sparen muss. Die Gemeinde sei pleite, sagte der Botschafter, doch eine Solidarität, wie es sie in Deutschland gibt, die gebe es in der Schweiz nicht. "Das kann aber sehr heilsam sein." Denn die Gemeinde müsse die Probleme selbst bewältigen.

Bonns Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch, der im Publikum saß, erinnerte an den Fall Nideggen, wo der Rat es ablehnte zu sparen, ein Sparkommissar die Führung der Stadt übernahm und auch die Bürger nach Lösungen für die Finanzprobleme fragte. Das allerdings sei nicht die direkte Demokratie, die er sich vorstelle, sagte Walter-Borjans. So etwas sollte die Ausnahme bleiben.

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