Kommentar zum Linken-Bundesparteitag Schlaffer Konvent

Meinung · Die lamentable Lage der Linkspartei hätte Anlass genug gegeben für einen konfrontativen und streitbaren Parteitag. Die Linke hat ernüchternde Landtagswahlen hinter sich. Sie musste zur Kenntnis nehmen, dass sie nicht mehr die erste Anlaufstelle für Protest ist. Und sie hat die Kränkung hinnehmen müssen, dass die AfD gerade im Osten tief in linke Wählermilieus der Arbeiterschaft und Erwerbslosen eingebrochen ist.

 Merkel und Hollande entzünden eine ewige Flamme im Beinhaus von Douaumont.

Merkel und Hollande entzünden eine ewige Flamme im Beinhaus von Douaumont.

Foto: dpa

Das alles hätte einen Parteitag logisch erscheinen lassen, der sich die Zeit nimmt, systematisch nach den Ursachen zu forschen und nach Konsequenzen zu fragen. So ist es nicht gekommen. In Magdeburg leistete sich die Linke einen eher schlaffen Konvent, der viel traditionelles Wortgeklingel bot: ein bisschen Klassenkampf, viel Regierungsschelte, noch mehr Eigenlob und jede Menge Frontalattacken Richtung AfD. Was er nur in Ansätzen bot, waren inhaltliche und strategische Klärungen.

In normalen Zeiten kann das vielen Wählern egal sein. Aber die Zeiten sind nicht normal. Die rechtspopulistische Welle, die vom Osten aus durch die Republik schwappt, fordert die ganze Gesellschaft heraus. Man mag es als feine Ironie empfinden oder bittere Zumutung – aber der Linken kommt im Kampf gegen eine vorurteilsgetriebene Ablehnung einer pluralen, offenen und vielfältigen Gesellschaft eine wichtige, im Osten wohl sogar eine Schlüsselrolle zu. Man muss also genauer auf die Debatten der Partei schauen.

Eines hat die Linke in Magdeburg klar formuliert: Es gibt derzeit in Deutschland kein linkes Lager mehr. Schon deshalb, weil die bürgerlich gewordenen Grünen weit von den Positionen der Linken entfernt sind. Das heißt: So lange sich die SPD weiter im Zentrum bewegen will, steht die Linke im Parteienspektrum allein. Sie wird sich also Partner außerhalb des Parlaments suchen müssen: nicht nur Gewerkschaften, auch Bewegungen wie „attac“ oder die Anti-TTIP-Gruppen. Dieses Antreiben der Politik durch die Mobilisierung gesellschaftlichen Drucks hat beim Mindestlohn aus linker Sicht gut funktioniert.

Bedingungen für solche Erfolge sind zugespitzte, markante Forderungen. In der Konsequenz heißt das: Die politische Debatte könnte wieder schärfer, härter, auch lauter werden. Davor muss niemand Angst haben. Man muss die linken Kampfansagen ans „Großkapital“ wirklich nicht originell finden, und man kann gewiss gegen ihre steuerpolitischen Umverteilungspläne argumentieren. Aber darum geht es ja: Wenn die Linke tatsächlich wieder stärker nach links rückte, wenn sie sich mit dem Thema „soziale Gerechtigkeit“ um die Mobilisierung des außerparlamentarischen Bereichs bemühte, würde sie die anderen Parteien zu einer stärkeren argumentativen Auseinandersetzung zwingen. Das kann in Zeiten, da großkoalitionäre Kompromisse und grüne Anpassungsstrategien an die Union den Meinungsstreit dämpfen, nur gut tun.

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