Führungswechsel in Rheinland-Pfalz SPD verabschiedet "König Kurt"

MAINZ · Kurt Beck hat beim Landesparteitag seiner rheinland-pfälzischen SPD am Samstag in Mainz bereits 70 Minuten gesprochen, als er zu seiner Nachfolge kommt. "Ein Glücksfall" sei es gewesen, dass es eine große Zahl von geeigneten Persönlichkeiten gegeben habe "und daraus die Entscheidungen getroffen werden konnten" - für Arbeitsministerin Malu Dreyer als Regierungschefin und Innenminister Roger Lewentz als SPD-Landesvorsitzender.

 Übergabe: Kurt Beck und Malu Dreyer, die neue Nummer eins in Rheinland-Pfalz.

Übergabe: Kurt Beck und Malu Dreyer, die neue Nummer eins in Rheinland-Pfalz.

Foto: ap

Dann schaut er nach links. Dort sitzen Bildungsministerin Doris Ahnen und Fraktionschef Hendrik Hering. Beide hatten sich auch Chancen auf Staatskanzlei oder Landesvorsitz ausgerechnet. "Das ist Größe, wie ihr mit den Überlegungen umgegangen seid", sagt Beck. Doch den beiden fällt es augenscheinlich schwer, das zu akzeptieren. Beide schlucken und lächeln gequält.

Was für ein Unterschied zu Becks rechter Seite. Dort strahlen der künftige Landesvorsitzende und die designierte Ministerpräsidentin um die Wette. "Roger Lewentz kann und kennt diese Partei", sagt Beck. "Und mit Malu Dreyer bekommen wir eine Ministerpräsidentin, die mit dem Herzen Politik macht." Er setzt hinzu: "Übertragt an Roger und Malu die Solidarität, die ich in all den Jahren spüren konnte."

Die 420 Delegierten springen auf und applaudieren - fast fünf Minuten lang -, halten Schilder mit dem Schriftzug "Danke, Kurt!" in die Höhe. Auch Ahnen und Hering klatschen, doch zu lächeln, das fällt ihnen nach wie vor schwer. Viele Genossen aber haben fröhliche Gesichter aufgesetzt und freuen sich über eine Rede Becks, in der sie sich wie so oft wiederfinden - etwa in dem Plädoyer für Arbeit, von der man leben können müsse, dafür, dass der Mensch "nicht dem Gesetz der Ökonomie unterworfen" werden dürfe und dafür, dass Bildung das wichtigste Politikfeld ist, um Aufstiegsmöglichkeiten zu gewährleisten.

Unter den Delegierten mitgeklatscht hat auch Bernd Spindler, SPD-Fraktionschef im Kreistag Bitburg-Prüm. "Etwas wehmütig" sei ihm zumute, sagt Spindler, "denn es war eine gute Zeit für Rheinland-Pfalz." Kurt Beck habe die Dörfer vorangebracht, viel für die Infrastruktur in der Eifel gemacht. Dabei seien am Nürburgring natürlich auch Fehler gemacht worden, so Spindler, aber man müsse anerkennen, dass der Ministerpräsident "die Eifel zukunftsfest machen wollte".

Beck, der aus gesundheitlichen Gründen ausscheidet, hatte erklärt, es habe "nie und nimmer die Absicht bestanden, am Ring vorsätzlich Schaden herbeizuführen". Die Vorgänge zeigten aber, dass man noch kritischer mit sich selbst und "der Prüfung aller möglichen Dinge" umgehen müsse. Dreyer selbst ging in ihrer Rede nicht auf den Ring ein, dem General-Anzeiger sagte sie später, es werde eines ihrer wichtigsten Themen nach der voraussichtlichen Wahl zur Ministerpräsidentin am 16. Januar.

Zuvor hatte Dreyer Beck gewürdigt: "Du hast dem Land, du hast der Partei unheimlich viel gegeben." Die designierte Regierungschefin hob die "gebührenfreie Bildungskette von der Kita bis zur Universität" und Becks Einsatz für den Mindestlohn hervor. Dann stellte sie sich als "Durch-und-durch-Rheinland-Pfälzerin" vor. Sie sei in der Pfalz geboren, habe in Mainz studiert, sei in Bad Kreuznach Bürgermeisterin gewesen und lebe seit zehn Jahren in Trier. "Ich fühle mich zutiefst dem Land verbunden", sagte sie unter großem Jubel. Die Delegierten nominierten sie einstimmig als Ministerpräsidentin. Für Beck war nach eigenen Worten schon lange klar, dass Dreyer, die unter Multipler Sklerose leidet, die Fähigkeit habe, seine Nachfolgerin zu werden.

Den Übergang von Beck zu Dreyer und Lewentz lobte SPD-Bundesparteichef Sigmar Gabriel als "beispielhaft". Das sei in der SPD ja auch einmal anders gewesen, erinnerte er daran, dass Beck 2008 vom Vorsitz der Bundespartei weggemobbt worden war. Versöhnlich fügte Gabriel hinzu: "Es war damals für die SPD, nicht für Kurt Beck, eine Schande, wie er gegangen ist." Der SPD wäre manches erspart geblieben, wenn er Vorsitzender geblieben wäre. Bei der Bundestagswahl 2009 hatte die Partei nur 23 Prozent erhalten.

Für Beck waren Gabriels Worte an diesem Tag sehr wichtig. Eine späte Genugtuung? "Wir dürfen alle dazu lernen", sagte er. Auf Rheinland-Pfalz bezogen, meinte Beck, er gehe voller Zuversicht, denn es sei ein personeller Wechsel, "ohne dass man sich die Haare zerzaust oder dass man sich für Jahre in die Opposition katapultiert". Und am Schluss konnten auch Hering und Ahnen ein wenig lachen, waren sie doch mit fast 83 und nahezu 80 Prozent als Landesvize wiedergewählt worden.

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