Bonner Journalist SPD-Urgestein Karl Garbe in Bonn gestorben

Bonn · Im Alter von 92 Jahren ist SPD-Urgestein Karl Garbe in Bonn gestorben. Als Abteilungsleiter für Öffentlichkeitsarbeit arbeitet er unter Kanzler Kiesinger und Brandt.

Langjähriges SPD-Mitglied: Karl Garbe im Jahr 2016.

Langjähriges SPD-Mitglied: Karl Garbe im Jahr 2016.

Foto: Benjamin Westhoff

„Hört doch mal auf die Leute“, empfahl Karl Garbe bei seinem letzten großen Interview mit dem General-Anzeiger im Herbst 2016. Auch mit 89 Jahren war das SPD-Urgestein damals noch ein streitbarer Genosse. Im Alter von 92 Jahren ist der Journalist jetzt in Bonn gestorben.

1927 als Sohn des früh verstorbenen, gleichnamigen Landtagsabgeordneten in Bochum geboren, hatte Garbe seinen Werdegang unmittelbar nach Kriegsende in der Stadtverwaltung von Herne begonnen. Schon früh fand er indessen zur Sozialdemokratie. 1950 wurde er unter Kurt Schumacher beim Parteivorstand in Hannover der erste Redakteur der kommunalpolitischen Zeitschrift „Die demokratische Gemeinde“ und zog im Jahr darauf mit der Parteizentrale in die SPD-Baracke.

Auf die Leute zu hören, war schon damals seine Überzeugung. Nach der zunächst ablehnenden Haltung der SPD gegenüber der Sozialen Marktwirtschaft und der Westbindung vollzog Garbe im Hintergrund den Richtungswechsel der SPD von der Arbeiter- zur Volkspartei, indem er das Godesberger Programm in plakative Worte fasste. „Selbst der Trend ist Genosse geworden“, schrieb er damals. Als Abteilungsleiter für Öffentlichkeitsarbeit ebnete Karl Garbe mit den Weg in die erste große Koalition von 1966 bis 1969 unter Kanzler Kurt Georg Kiesinger (CSU) und Vize-Kanzler Willy Brandt. Selbst dem gestrengen Herbert Wehner vermochte er als „Onkel Herbert“ ein menschliches Gesicht zu geben.

Chefredakteur verschiedener Zeitungen

Nachdem Brandt Bundeskanzler geworden war, berichtete Karl Garbe mit seinen zahlreichen Verbindungen in die Politik bis 2008 als Chefredakteur verschiedener Zeitschriften wie „Esprit“, „MdB“ und „Kabinett“ über die Bonner Republik. Damit habe er die „Fähigkeit zum fairen politischen Miteinander in der Bevölkerung der Bundesrepublik verankert“, lobte Bundespräsident Richard von Weizsäcker, als er Garbe 1994 das Bundesverdienstkreuz verlieh. Weniger bekannt war, dass der Autor sich auch unter den Pseudonymen Franz Annen, Herrmann Dornen und Klaus Hüllberg in Aphorismen und Satiren seinen Frust über die real existierende Demokratie von der Seele schrieb. Ein streitbarer Geist blieb er bis zuletzt, auch wenn er der Politik nicht mehr nach Berlin folgte. Seiner Partei hat der bekennende Linke den Reformkurs unter Gerhard Schröder und die Agenda 2010 nie verziehen. Schröders Abgang in der legendären Berliner Runde nach seiner Wahlniederlage 2005 war für Karl Garbe einer der peinlichsten Momente in seinem Leben. Schröder hatte einfach nicht auf die Leute gehört.

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