Debatte in den USA Rufe nach Amnestie für Snowden

WASHINGTON · Ohne die Enthüllungen des ehemaligen amerikanischen Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden wäre die noch vor kurzem kaum vorstellbare Abhörwut der "National Security Agency" (NSA) mit großer Wahrscheinlichkeit geheim geblieben.

Auf diesen Befund können sich Kritiker wie Befürworter des 30-jährigen Computer-Experten noch verständigen, der sich unfreiwillig im russischen Exil aufhält. Über vieles andere gehen die Meinungen weit auseinander.

Während Hardliner wie der frühere CIA-Direktor James Woolsey Snowden wegen Landesverrats am liebsten "gehängt" sehen möchten, treten Tausende Bürger in Internet-Petitionen für eine Amnestie ein. Das Lager derer, die vollständige oder weitgehende Strafverschonung fordern, hat nun einflussreiche Schützenhilfe bekommen. Als erstes großes Medium in den USA hat die "New York Times" Präsident Barack Obama dazu aufgerufen, Snowden zu begnadigen und ihm die Rückkehr in die Vereinigten Staaten zu ermöglichen.

Das Blatt stützt seine Argumentation auf eine Güterabwägung. Ja - Snowden habe Gesetze gebrochen, als er bis zu 1,7 Millionen Unterlagen aus NSA-Computern abzapfte und einen Teil davon ausgesuchten Medien (darunter die "New York Times", die "Washington Post" und der britische "Guardian") zwecks Veröffentlichung zuspielte.

Aber: "Er hat seinem Land einen großen Dienst erwiesen", indem er die Überwachungspraktiken der NSA im Stile eines klassischen "Whistleblowers" enthüllt habe. Snowden habe den Nachweis erbracht, dass die NSA zigtausendfach Gesetze zur Sicherheit der Privatsphäre amerikanischer Staatsbürger gebrochen hat, dass sie widerrechtlich in internationale Internet-Datenknoten eingedrungen ist, Verschlüsselungs-Technologien sabotiert und das zuständige Geheimgericht FISC fortgesetzt in die Irre geführt hat. Darum verdiene Snowden "mehr als ein Leben im permanenten Exil, in ständiger Angst und auf der Flucht".

Die hauseigenen Leitartikler der "New York Times" gehen bei ihrem Plädoyer gegen zwei Details vor, die Präsident Obama und die Geheimdienst-Community zuletzt immer wieder angeführt hatten. Zum einen habe der ehemalige NSA-Auftrags-Mitarbeiter durch seine Enthüllungen die "nationale Sicherheit" massiv gefährdet und feindlich gesonnenen Staaten wertvolle Munition geliefert. Zum anderen hätten Snowden genügend Wege offen gestanden, um seine Kritik intern anzubringen. Für beide Behauptungen, so die "New York Times", fehlten "jedwede Beweise". Snowden habe mehrfach Vorgesetzte ohne Erfolg mit seinen Bedenken konfrontiert.

Weil die gegen Snowden bisher vorgebrachten Anklagepunkte zusammengerechnet eine lebenslange Freiheitsstrafe ergeben könnten, müsse Amerika den Weg für eine "Art Begnadigung" und eine "nennenswert reduzierte Strafe" freimachen, schreibt die Zeitung.

In ähnlicher Form hatte sich vor wenigen Wochen ein hoher NSA-Angestellter geäußert. Es sei sinnvoll, Snowden Straffreiheit anzubieten, wenn dieser im Gegenzug verbindlich darauf verzichte, weitere Unterlagen öffentlich zu machen, sagte Rick Ledgett in der Fernsehsendung "60 Minutes". Um die Debatte abzuwürgen, erklärte die nationale Sicherheitsberaterin im Weißen Haus, Susan E. Rice, es werde keine Amnestie und auch kein Geschäft auf Gegenseitigkeit geben.

Präsident Obama hatte kurz vor Weihnachten zwar bekräftigt, dass Amerika aus seiner Sicht durch Snowden ein "Schaden entstanden" sei. Auf die Frage nach seiner persönlichen Meinung zu einer etwaigen Amnestie oder Strafmilderung für Snowden antwortete er jedoch auffällig ausweichend. Dies sei Angelegenheit der Gerichte und des Justizministeriums. Obama, hieß es danach in vereinzelten Medienberichten, wolle sich "vielleicht eine Hintertür aufhalten".

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