Deutscher Katholikentag in Mannheim Ruf nach Reformen

MANNHEIM · Katholikentage sind wie evangelische Kirchentage immer auch Auftrittschancen für Politiker. Angela Merkel ließ sich ihre Chance in Mannheim - kurz vor ihrem Abflug zum G8-Gipfel in den USA - nicht entgehen. Sie warnte dabei im vollbesetzten Saal des Rosengartens, die Generationen und ihre Interessen gegeneinander auszuspielen.

 Kirche trifft Politik: Kanzlerin Angela Merkel, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück (r.), und Erzbischof Robert Zollitsch.

Kirche trifft Politik: Kanzlerin Angela Merkel, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück (r.), und Erzbischof Robert Zollitsch.

Foto: ap

Der demografische Wandel komme schleichend, durchdringe aber alle Lebensbereiche. "Wir werden weniger, vielfältiger und älter", sagte Merkel. Nachdrücklich wandte sich die Bundeskanzlerin gegen eine "völlige Ökonomisierung des Arbeitslebens". Die Arbeitswelt müsse vielmehr "mehr Respekt" für das Familienleben entwickeln. Alle müssten eine "Kultur des längeren Arbeitens" entwickeln. Merkel weiter: "Es gibt kaum eine Gesellschaft, in der Arbeits- und Familienwelt so getrennt sind wie in Deutschland." Insbesondere Männer bräuchten "mehr Mut", diese Trennung aufzubrechen. Süffisant erinnerte sie daran, dass die gerade aus Bayern besonders heftig kritisierten Vätermonate beim Erziehungsurlaub dort besonders intensiv in Anspruch genommen würden.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hatte am Vortag in Mannheim stärkere gesellschaftliche Rahmenregelungen in der sozialen Marktwirtschaft angemahnt. Es gehe nicht an, dass bei EU-weiten Ausschreibungen etwa portugiesische Unternehmen mit Arbeitslöhnen den Zuschlag erhielten, mit denen kein deutsches Unternehmen konkurrieren könne. Deshalb brauche es Mindestlöhne und Mindeststeuersätze europaweit. Der Marktradikalismus sei kein Allheilmittel für mehr Wachstum gewesen, sondern habe eine "soziale Spaltung der Gesellschaft hervorgerufen". Damit müsse Schluss sein.

Vertreter der Grünen und der Sozialdemokraten, aber auch der Evangelischen Kirche in Deutschland, nutzten den Anlass des Katholikentages, die Gläubigen zu echten Reformen in der Kirche aufzurufen. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Renate Künast, forderte - das Katholikentags-Motto. "Einen neuen Aufbruch wagen" nutzend - einen "wirklichen Aufbruch". Es gelte, alte Zöpfe abzuschneiden. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles warnte vor einer "Bunkermentalität" in der Kirche. "Wir dürfen aus unserer Kirche keine abgeschlossene Arche machen." Sie sehe gegenwärtig viel Starrheit und eine große Angst vor Veränderung. Nahles plädierte für einen offeneren Umgang mit Homosexualität und für mehr Ökumene. Jeder einzelne Christ müsse Verantwortung übernehmen, damit der Aufbruch Wirklichkeit werden könne: "Unsere Kirche darf doch kein Museumsstück werden, starr und unbeweglich."

Auch die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Katrin Göring-Eckardt, warnte die Katholiken vor Weltflucht. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Rückzug hinter die Kirchenmauern aus Furcht zu verweltlichen das ist, was Jesus uns aufgetragen hat", sagte sie. Sie spielte damit auf die Grundsatzrede von Papst Benedikt XVI. an, der im Herbst seine Kirche zur "Entweltlichung" aufgerufen hatte.

Seiten-Redaktion:

Frank Rintelmann

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