Klaus Wowereit Rücktritt nach gut 13 Jahren als Regierender Bürgermeister von Berlin

BERLIN · Manche Dinge sind dann doch größer als das eigene Amt. Und wenn es nur ein Pokal ist, wenn auch ein ganz besonderer. Obwohl: Gerade hat Klaus Wowereit noch gesagt, Regierender Bürgermeister von Berlin zu sein, sei "eine der größten Herausforderungen in der deutschen Politik".

Eine Aufgabe, von der Wowereit schweren Herzens bald lassen wird. Im Juli, so erzählt er es jetzt, habe er eigentlich schon seinen Rücktritt ankündigen wollen, aber da sei über Deutschland just ein vierter Stern aufgegangen - nach dem Titelgewinn bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien. Irgendwo auf dem Beipackzettel im Gefolge des nationalen Jubelrausches wollte er dann seine Rücktrittserklärung auch nicht vermerkt sehen. Also wartete er.

Aber jetzt, gut sechs Wochen später, scheint ihm der richtige Zeitpunkt. Wowereit sitzt im überfüllten Saal 319 des Roten Rathauses und lässt in dieser Mittagsstunde gut 100 Journalisten zumindest für einige Sekunden an seinem Gefühlsleben teilhaben. Der "Regierende" spricht und hat dabei Tränen in den Augen.

"Ich gehe freiwillig", betont er und schiebt hinterher, dass er "stolz" darauf sei, seinen Beitrag "für diese Stadt, für meine Stadt" geleistet zu haben. Wunderbar, dass er sein "größtes Hobby auch zu meinem Beruf" habe machen können: Politik für Berlin, insgesamt 40 Jahre, davon 30 Jahre hauptberuflich.

Bald geht diese Ära zu Ende. Bald geht Wowereit. Doch bis es so weit ist, lässt er sich selbst, seiner Partei, der SPD und auch der Stadt Berlin noch ein bisschen Zeit. Was ab heute kommt, sind die Abschiedswochen des Klaus W. aus dem Bezirk Tempelhof, Rechtsanwalt, noch 60 Jahre alt, Machtpolitiker durch und durch. Einer, der die Macht nie teilen wollte. Und einer, der sich als erster prominenter Politiker in Deutschland zu seiner Homosexualität bekannte ("Ich bin schwul, und das ist auch gut so."), bevor es der Boulevard getan hätte.

[kein Linktext vorhanden]Am 11. Dezember dieses Jahres, wenn sich Klaus Wowereit endgültig aus der aktiven Politik verabschieden will, wird er 13 Jahre und sechs Monate Regierender Bürgermeister von Berlin gewesen sein. Prädikat: dienstältester Ministerpräsident der Republik. Ein "Kopfmensch" sei er, einer, der die Dinge rational wäge. Und so sei auch die Ankündigung seines Rücktritts keine Bauchentscheidung gewesen, obwohl der "Bauchumfang im Amt gewachsen" sei, sagt er selbstironisch.

In den zurückliegenden Monaten habe es "ziemlich viele Spekulationen" über seine Amtszeit gegeben: Hört er auf? Oder kandidiert er nochmal? Wowereit wollte seinen Abgang selbst bestimmen. Das war sein Ziel. Die Dinge selbst in der Hand zu behalten, so wie er es auch in den von ihm geführten Landesregierungen immer gerne gemacht hat. Zweimal koalierte er mit der damaligen PDS und heutigen Linken. Nie mit den Grünen. Seit 2011 führt er eine große Koalition mit der CDU als Partner.

[kein Linktext vorhanden]Der Kopfmensch zeigt Emotionen an einem Tag wie diesem. "Ja, das muss ich zugeben." Mehr als eine Träne im Knopfloch. Der Hierarchie nach informierte er die relevanten Personen über seinen bevorstehenden Rücktritt. Erst den SPD-Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel, dann SPD-Landeschef Jan Stöß und den Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Raed Saleh. Schließlich auch die CDU. "Na, ich gehe mal davon aus, dass sie damit nicht gerechnet haben und sehr überrascht waren", sagt Wowereit zur Reaktion beim Koalitionspartner.

Jetzt muss ein Nachfolger für Wowereit her. Die Gremien der Berliner SPD sind gefragt. Wowereit hat bewusst einen Zeitraum von gut drei Monaten bis zu seinem Abgang gelassen, damit die Genossen entscheiden können. Ein Mitgliederentscheid sei möglich. Wer es werden könnte? Wowereit nennt keine Namen, dankt aber ausdrücklich Fraktionschef Saleh für dessen Loyalität. Den Namen von Landeschef Stöß erwähnt er nicht. Ohne Worte.

Ja, es gab in gut 13 Jahren Siege und Niederlagen. "Bei Erfolgen warnse alle da", schmunzelt der "Regierende". Die größte Niederlage? Der Pannenflughafen BER. Eröffnungstermin ungewiss. Dass er es nicht geschafft hat, den Flughafen zur eigenen Amtszeit in Betrieb zu nehmen, wurmt ihn. "Dies ist eine herbe Niederlage gewesen, und das ist sie bis heute." Am 11. Dezember will Wowereit übergeben. Einen Tag später hat Flughafen-Chef Hartmut Mehdorn einen Auftritt: Dann will er den nächsten Eröffnungstermin nennen. Wowereit ist da nicht mehr im Amt. In diesem Fall ist es ihm noch nicht mal unrecht.

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