US-Wahl Romneys Krönung mit Schönheitsfehlern

TAMPA · Mitt Romney ist in Tampa mit mehr als 2000 Delegiertenstimmen zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner gekürt worden. Verärgerte Anhänger des libertären Dissidenten Ron Paul störten mit Buhrufen das traute Einheitsgemälde der Parteitags-Regie.

Geschafft! Beim Buchstaben „N“ wie New Jersey hatte Mitt Romney sein Ziel erreicht und die rechnerisch nötigen 1144 von insgesamt 2286 Stimmen angesammelt, die es für die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der republikanischen Partei braucht.

Am Ende des aller Bundesstaaten und US-Territorien wie Guam im „Tampa Bay Times Forum“ einzeln ihre Delegiertenschlüssel bekanntgaben und dabei ruhmreiche Dönekes erzählten („Ich vertrete den stolzen Staat Texas...), konnte Romney auf 2061 Stimmen zählen. Der 65-Jährige Multimillionär hat damit auf dem Parteitag in Florida am Dienstagabend im zweiten Anlauf die Kandidatur geschafft, die ihm vor vier Jahren noch Senator John McCain vor der Nase weggeschnappt hatte.

Kurz darauf winkten die Delegierten per stiller Akklamation Paul Ryan als Kandidaten für die Vizepräsidentschaft durch. Noch ein „Roll Call“ hätte den Zeitplan über den Haufen geworfen. Nachdem Wyoming als Schlusslicht im Alphabet der Bundesstaaten sein Ergebnis in der drittgrößten Stadt des Sonnenschein-Staates annonciert hatte, spielten die Parteitags-Regisseure den alten Isley Brothers’ Hit „Shout“ ein.

Unbeabsichtigt passendes Liedgut zur aufgeladenen Stimmung im allenfalls zur Hälfte gefüllten Hallenstadion, in dem für gewöhnlich Eishockey gespielt wird. Denn anders als die akribisch auf Einigkeit und Zusammenhalt erpichten Parteitags-Organisatoren es geplant hatten, kam es zuvor zu turbulenten Szenen, wie man sie in Europa aus Fußball-Stadien kennt, in denen vergrätzte Fans ihren Unmut über eine dubiose Schiedsrichter-Entscheidung herausschreien.

Im Mittelpunkt standen dabei mit Cowboy-Hüten und US-Flaggen ausstaffierte Anhänger des texanischen Kongressabgeordneten Ron Paul, der mit 190 das Gros der übrigen Delegiertenstimmen für sich verbuchen konnte. Paul war chancenlos aus den Vorwahlen hervorgegangen, hatte seine Kandidatur aber bis zuletzt nicht offiziell aufgegeben.

[kein Linktext vorhanden]Die Paul-Fans werfen dem Romney-Lager vor, durch Änderungen bei der internen Kandidatenkür in den Vorwahlen künftig unangepasste Freigeister wie den 78-Jährigen geräuschlos neutralisieren zu wollen. Pauls radikale Außenseiter-Positionen, von der Abschaffung der Zentralbank bis zur Rückkehr zum Goldstandard, fanden am Rande des Parteikonvents immer noch viel Gehör.

In den von Hunderten Polizisten abgeriegelten Straßen rund um das Kongresszentrum schafften es immer wieder kleine, wütende „Paulianer“-Ansammlungen mit Trillerpfeifen und Megaphon auf sich aufmerksam zu machen. Als die Parteitags-Regie nicht auf die Kritik an der Statutenänderung einschwenkte, setzten minutenlang lautstarke Buhrufe ein.

Mitt Rommey, so scheint es, hat beileibe nicht die gesamte Partei hinter sich. Der ehemalige Geschäftsmann bekam von all dem nichts mit. Der Kandidat war am Mittag in Tampa eingeflogen und hatte in seinem hermetisch abgeriegelten Konferenz-Hotel letzte Abstimmungsgespräche geführt.

Er wird am Donnerstagabend die Nominierung offiziell annehmen und zum Schluss des von vier auf drei Tage verkürzten Parteitages seine mit Spannung erwartete Antrittsrede halten. Vorausgesetzt, der am frühen Mittwochmorgen an der Golfküste bei Louisiana auf Land getroffene Hurrikan „Isaac“ zwingt nicht noch kurzfristige Änderungen ins Programm.

Die Sorge, dass dem amerikanischen Fernsehpublikum ein „split screen“, ein geteilter Bildschirm, geboten werden könnte mit Heulen und Zähneklappern aus möglichen Notstandsgebieten in Louisiana, wo genau vor sieben Jahren Hurrikan Katrina 1800 Menschenleben forderte, und freudestrahlenden Wahlkämpfern mit weiß-rot-blauen Luftballons in Tampa, war auf den Fluren des Conventions-Centers das beherrschende Gesprächsthema.

Jedenfalls solange, bis Ann Romney die Mahagony-getäfelte Bühne betrat, um zu bester Fernseh-Sendezeit ein leidenschaftliches Plädoyer für ihren Mann zu halten. „Dieser Mann wird uns nicht im Stich lassen“, rief die 63-Jährige den Delegierten zu, „das ist der Mann, den Amerika braucht. Das ist der Mann, der härter als alle andere arbeiten wird, damit wir etwas weniger arbeiten müssen.“

Frau Romney stellte in dem 30-minütigen Beitrag ihren Mann als treusorgenden Vater und Großvater, liebenden Ehemann und engagierten Kümmerer da, der auch in privaten Krisensituationen, Ann Romney hatte Brustkrebs und Multiple Sklerose, Übersicht und Herzenswärme behält.

Gut zehn Wochen vor den Präsidentenwahlen läuten die Parteitage, Obamas Demokraten kommen ab Dienstag in Charlotte/North Carolina zusammen, die heiße Wahlkampfphase in Amerika ein. Jüngsten Umfragen nach zu urteilen liefern sich Romney und Obama unverändert ein Kopf-an-Kopf-Rennen; in einzelnen Bundesstaaten mit leichten Vorteilen für den Amtsinhaber.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort