Neuer Sheriff in Washington Robert Mueller ermittelt gegen Donald Trump

Washington · Die Ernennung von Robert Mueller zum Sonderermittler im Komplex Trump/Russland ist für den US-Präsidenten eine ernste Bedrohung. Der frühere FBI-Chef gilt als integer und unbestechlich.

Zu den oft heldenhaft klingenden Geschichten über Robert Mueller III, die Donald Trump Magendrücken verursachen könnten, gehört eine Szene, die sich vor 13 Jahren an einem prominenten Krankenbett in Washington abspielte. John Ashcroft, seinerzeit US-Justizminister, war frisch an der Gallenblase operiert worden. Trotzdem versuchten zwei Gesandte des damaligen Präsidenten George W. Bush, dem Rekonvaleszenten eine Unterschrift abzuluchsen. Ziel: die Verlängerung der Erlaubnis von Lauschangriffen auf Terrorverdächtige ohne vorherige richterliche Erlaubnis.

Es droht Totalschaden für die Demokratie

Zwei Männer verhinderten damals die verfassungswidrige Nacht- und Nebelaktion und genießen seither den Ruf, vor der Macht des Weißen Hauses nur höchst selten einzuknicken: James Comey, damals Ashcrofts Stellvertreter und heute frisch von Trump gefeuerter Chef der Bundespolizei FBI. Und Robert Mueller, vor seinem Freund und Nachfolger Comey 13 Jahre lang an der FBI-Spitze und seit Donnerstag offizieller Sonderermittler in der Russland-Affäre gegen den Präsidenten der Vereinigten Staaten.

Ohne Comeys Rauswurf würde der 72-jährige Mueller weiter lukrativen Einsätzen für die Anwaltskanzlei WilmerHale nachgehen. Dort dirigierte der streng gescheitelte Vietnam-Kämpfer zuletzt hinter den Kulissen für Richter Charles Breyer in San Francisco die außergerichtliche Einigung im milliardenschweren Dieselbetrugs-Skandal des deutschen Volkswagen-Konzerns. Peanuts im Vergleich zu dem neuen Job, den Mueller übernommen hat. Dort droht im schlimmsten Fall Totalschaden für die amerikanische Demokratie: der Abgang des amtierenden Präsidenten.

Freie Hand für den Sonderermittler

Mueller, der Staatsanwalt in Boston, Leiter der Mordkommission in Washington und Bundesstaatsanwalt für Nordkalifornien war, soll im Auftrag von Vizejustizminister Rod Rosenstein „jegliche Verbindungen und/oder Abstimmungen zwischen der russischen Regierung und Personen mit Verbindung zur Wahlkampagne von Präsident Donald Trump untersuchen“.

Sollten sich dabei justiziable Abfallprodukte ergeben, so fallen auch die in Muellers Hoheitsbereich. Für die Aufgabe hat der Sonderermittler nahezu freie Hand, unbegrenzte Ressourcen und Vollmachten. Und Erfahrung sowieso.

In seiner langen Karriere half er, den panamaischen Diktator Manuel Noriega und den New Yorker Mafiaboss John Gotti hinter Gitter zu bringen. Er leitete die Untersuchungen nach den Bomben-Attentaten auf Pan-Am-Flug Nummer 103 über dem schottischen Lockerbie 1988 und auf den Marathon-Lauf in Boston 2013.

Trump erhält keine Vorverurteilung

Rosenstein schritt mit Muellers Ernennung zur Tat, weil sein Chef, Justizminister und Trump-Bewunderer Jeff Sessions, in der Causa Russland als befangen ausfällt. Mit dem seit fast 20 Jahren nicht mehr benutzten Statut des Sonderermittlers soll gewährleistet werden, dass das amerikanische Volk „volles Vertrauen in die Ergebnisse haben kann“, sagte der Top-Jurist. Vor wenigen Tagen hatten Rosenstein und die republikanische Mehrheit im Kongress die Einsetzung eines Sonderermittlers noch als überflüssig bezeichnet.

Nach der Kaskade von neuen Enthüllungen in den vergangenen Tagen, die Präsident Trump in den Dunstkreis der verbotenen Beeinflussung der Justiz rücken, schwang das Pendel in die andere Richtung. Abseits der „normalen Befehlskette“, so Rosenstein, müsse Klärung geschaffen werden. Wichtig: Eine Vorverurteilung Trumps sei das nicht.

Präsident spricht von Hexenjagd

Trump wurde bei der Nominierung Muellers vor vollendete Tatsachen gestellt. In einer ersten Stellungnahme gab sich der Präsident konziliant. Die Untersuchung werde bestätigen, dass die Anschuldigungen gegen ihn und sein Team haltlos seien. Er freue sich, dass „diese Sache“ nun schnell abgeschlossen“ werde. Dann die impulsive Kurskorrektur. Bei Hillary Clinton und Obama sei nie ein Sonderermittler tätig geworden, obwohl in deren Verantwortungsbereich viele „illegale Aktionen“ stattgefunden hätten, polterte Trump und lieferte seinen 30 Millionen Twitter-Anhängern das Fazit: „Das ist die größte Hexenjagd eines Politikers in der amerikanischen Geschichte.“

Republikanische Kongressabgeordnete, die schleichend auf Distanz zu Trump gehen, verdrehten die Augen. Sie wundern sich mehr über neue, für Trump unvorteilhafte Details aus der Russland-Saga: Der im Februar über Lügengeschichten wegen Russland zurückgetretene Nationale Sicherheitsberater, Michael Flynn, wurde offenbar von Trump in das sensible Amt gehievt, obwohl sein Team vorher wusste, dass gegen den ehemaligen General wegen dubioser Lobbytätigkeiten für einen Vertrauten des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ermittelt wird.

Pro-russiche Haltung

Der Bericht der „New York Times“ ist delikat, weil Trump den später von ihm gefeuerten FBI-Chef Comey im Januar bedrängt haben soll, die Ermittlungen gegen Flynn einzustellen. Trump bestreitet das. Zusätzlichen Wirbel hat die Neuigkeit erzeugt, dass „Trumpianer“ bis zur Wahl im vergangenen Jahr fast 20 Mal per Telefon oder E-Mail mit Kontaktleuten von Russlands Präsident Putin in Verbindung standen. Warum so oft? Antworten stehen aus.

Noch größere Irritationen hat ein Gesprächsmitschnitt ausgelöst, den die „Washington Post“ in ihren Besitz brachte und veröffentlichte. Darin sagt der republikanische Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, im Juni 2016: „Ich denke, es gibt zwei Personen, die Putin bezahlt. Rohrabacher und Trump. Ich schwöre bei Gott.“ Gemeint ist neben dem heutigen Präsidenten der aus Kalifornien stammende und für seine pro-russische Haltung bekannte republikanische Abgeordnete Dana Rohrabacher. Zuhörer damals: Paul Ryan, Chef des Repräsentantenhauses und Nummer drei im Staat.

Dauer der Untersuchung unklar

Von der „Washington Post“ mit den Vorwürfen konfrontiert, blockten die Herren ab. Als der Mitschnitt bekannt wurde, ließ McCarthy erklären, es sei ein Scherz gewesen. Seine Tonlage im „Putin-Gespräch“ gibt die Interpretation jedoch nicht her. Ob und wann Sonderermittler Robert Mueller sich mit diesem Detail beschäftigen wird, wie lange seine Untersuchung überhaupt dauern wird, all das ist noch ungewiss. Der Beginn seiner Mission wird in Washington zweischneidig aufgenommen.

Auf der einen Seite gibt es parteiübergreifendes Lob für die Versiertheit und Integrität des detailversessenen Kriminologen. Auf der anderen aber auch Skepsis über die möglichen Kollateralschäden einer Großuntersuchung, die Trumps komplette Führungsmannschaft in Beweisnot bringen kann, den Politikbetrieb lähmen wird und einen nie versiegenden Fluss von Medienberichterstattung erzeugt.

Ein wortkarger Fahnder

„Ein Sonderermittler wird wie ein dunkler Schatten über dem Weißen Haus hängen, gewaltige Energien aufzehren, eine permanente Ablenkung darstellen und den Zorn gerade des ländlichen Amerikas, das Trump gewählt hat, auf die Hauptstadt-Käseglocke Washington verstärken“, prophezeit ein Politikdozent der American University im Gespräch mit dieser Zeitung.

Insider sind sich allerdings sicher, dass Robert Mueller die öffentliche Debatte nicht häppchenweise mit Erkenntnissen befeuern wird. Nicht einmal mit spartanischer Unterrichtung sei zu rechnen, sagen Leute, die ihn kennen. Der asketische Fahnder ist wortkarg. Als er wenige Wochen vor den Terroranschlägen vom 11. September 2001 im Rosengarten des Weißen Hauses von Präsident Bush als neuer FBI-Chef vorgestellt wurde, sprach Mueller ganze 79 Worte. Darunter fünfmal: Danke.

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