Terrorverdacht in Köln-Chorweiler So gefährlich ist das Gift Rizin

Köln · Der Verdächtige aus Köln-Chorweiler soll laut Bundeskriminalamt Rizin hergestellt haben, um damit eine "Biobombe" zu bauen. Der GA beleuchtet, wie gefährlich das Gift wirklich ist.

Eine Woche nach der Festnahme von Seif H. in Köln-Chorweiler geht das Bundeskriminalamt davon aus, dass der Tunesier einen Anschlag plante. „Hier gab es schon ganz konkrete Vorbereitungen zu einer solchen Tat, mit einer, wenn Sie so wollen, Biobombe“, sagte BKA-Präsident Holger Münch dem rbb-Inforadio am Mittwochmorgen. „Und das ist schon ein in Deutschland einmaliger Vorgang.“

Der Verdächtige habe sich offenbar an Anleitungen von islamistischen Organisationen im Internet orientiert. In Seif H.s Wohnung hatten die Ermittler vergangene eine rizinhaltige Substanz gefunden, dazu Hunderte Samen des Wunderbaums (auch Rizinusstrauch genannt) aus denen das Gift gewonnen wird, und Teile zur Herstellung eines Sprengsatzes. Zunächst war von 1000 Samen die Rede; am Mittwoch korrigierte die Bundesanwaltschaft die Zahl auf 3150. Laut eines Sprechers habe der Verdächtige 84,3 Milligramm Rizin hergestellt.

Zudem soll der 29-Jährige laut Bundesanwaltschaft zwar nicht Mitglied einer Terrororganisation sein, aber in Kontakt zu „Personen aus dem radikal-islamistischen Spektrum“ gestanden haben. Was das Ziel des Anschlags sein sollte und wann der Verdächtige zuschlagen wollte, wissen die Behörden noch nicht.

Doch was ist Rizin eigentlich genau und wie wirkt es? Einige Fragen und Antworten dazu:

Wie wirkt Rizin?

Rizin legt die Teile der Zelle lahm, die für die Proteinsynthese zuständig sind, schreibt das Robert Koch-Institut (RKI) auf seiner Internetseite. Ohne neue Proteine stirbt die infizierte Zelle nach einiger Zeit ab. Gelangt das Gift in die Blutbahn, wirken schon wenige Milligramm tödlich. Ebenso gefährlich ist die Aufnahme über die Atemwege, sollte das Rizin in Pulverform als Teil eines Aerosols vorkommen. Beim Verschlucken weniger Bohnen kommen Betroffene oft mit dem Leben davon, besonders wenn sie unzerkaut sind. Es gibt keine Gegengift.

Wie gefährlich ist das Gift?

Wegen seiner Wirkungsweise stuft der Bonner Toxikologe und Pharmakologe Dr. Michael Igel Rizin als „sehr gefährlich“ ein. Nicht umsonst falle das Gift sowohl unter die Bio- wie auch die Chemiewaffenkonvention der Vereinten Nationen und das deutsche Kriegswaffenkontrollgesetz. Das Gift zu gewinnen, sei vergleichsweise einfach. Wie bei der Herstellung des in der Kosmetik beliebten Rizinusöls, müssten die Samen zunächst ausgepresst werden. „Aus dem Pressabfall kann man mit einfachen Chemikalien über Veränderung des PH-Werts das Rizin gewinnen“, erklärt der Experte weiter.

Das Robert Koch-Institut, dessen Spezialisten auch an den Untersuchungen der Wohnung in Chorweiler beteiligt waren, wollte eine Anfrage nach der Gefährlichkeit von Rizin explizit nicht beantworten. Das BKA konnte eine Anfrage zur Einschätzung des Risikos, das von Anschlägen mit Rizin ausgeht, nicht sofort beantworten.

Was sagt die Wissenschaft?

Trotz seiner hochgiftigen Wirkung eigne sich Rizin nicht als Biowaffe, schlussfolgert ein Artikel im Forschungsmagazin „Environment International“ aus dem Jahr 2009. Ein rizinhaltiges Aerosol herzustellen, das dem Menschen wirklich schaden könne, sei für Laien ohne chemisches Hintergrundwissen extrem schwierig. Das Recherchezentrum des amerikanischen Verteidigungsministeriums fasst in einem Bericht zusammen: Die meisten Experten glaubten, dass Rizin als Massenvernichtungswaffe schwer einzusetzen sei, sprächen ihm aber nicht sein Potenzial als Terrorwaffe ab.

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