Krieg im Irak Regierung will Waffen an Kurden liefern

BERLIN · Frank-Walter Steinmeier hat das Elend selbst gesehen. Am Wochenende noch machte der deutsche Außenminister in den Wochen und Monaten seiner nicht endenden Krisenmissionen in der Kurden-Hochburg Erbil im Nordirak einen Zwischenstopp. Christen und Jesiden, von der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) verfolgt und mit dem Tode bedroht, retteten sich mit dem, was sie am Leib trugen. Sonst nichts.

Steinmeier hat seine Eindrücke aus dem Nordirak mit zurück nach Berlin gebracht. Konsequenzen inklusive. Gerade eben noch hat das Bundeskabinett über BAföG, mehr Kinderbetreuung und die Digitale Agenda beraten, nun sitzen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und eben SPD-Mann Steinmeier in kleiner Runde zusammen. Es geht um den Kampf der kurdischen Peschmerga-Einheiten im Nordirak gegen die Todesschwadronen des "Islamischen Staates". Humanitäre Hilfe aus Deutschland mit 36 Tonnen Gütern für die Menschen in Nordirak ist vergangene Woche angelaufen. Diese Woche sollen weitere 100 Tonnen verfrachtet werden. Doch das reicht nicht mehr, so jedenfalls ist auch die Botschaft Steinmeiers.

Nach der Sondersitzung der EU-Außenminister Ende vergangener Woche ist in europäischen Hauptstädten wie Berlin klar: Die Kurden brauchen Waffen aus Beständen gut ausgerüsteter europäischer Armeen, um gegen die IS-Milizen zu bestehen. Neben den Partnern in Großbritannien, Frankreich und Italien wird wohl auch die Bundeswehr Waffen liefern. Das Prüfverfahren läuft. In einer Woche soll es abgeschlossen sein. Dann will die Bundesregierung - nach Abstimmung mit den europäischen Partnern - entscheiden, was aus deutschen Waffenkammern nach Irak, respektive an die Kurden im Norden des Landes, geliefert werden soll.

Steinmeier steht im Auswärtigen Amt, an seiner Seite Kabinettskollegin von der Leyen. Beide erklären den Kurswechsel. Steinmeier: "Die Methoden, mit denen ISIS Krieg führt, sind barbarisch." Ein kriegerischer Flächenbrand drohe, der Deutschland und Europa "unmittelbar treffen" würde. Von der Leyen spricht von einem "atemberaubend schnellen und unfassbar brutalen Vorgehen der ISIS" gegen die Glaubensgruppen der Christen und Jesiden in Nordirak. Vor wenigen Tagen hatte die Verteidigungsministerin schon auf eine bald bevorstehende Entscheidung eingestimmt: "Wenn sich ein Völkermord nur mit deutschen Waffen verhindern lässt, müssen wir helfen."

Dazu ist die Bundesregierung jetzt ganz offenbar bereit. Es werde geprüft, was möglich sei. Neben Notstromaggregaten und Nachtsichtgeräten werde auch über Waffen und Munition für die Kurden in ihrem Kampf gegen ISIS nachgedacht. Steinmeier betont denn auch mit Blick auf möglicherweise vagabundierendes Kriegsgerät Made in Germany, das am Ende in Händen der Terroristen landen könnte: "Wir sehen die Risiken." Aber die Kurden müssten sich gegen ISIS wehren können. Der Bundestag werde unterrichtet. Gerade eben habe er mit den Obleuten der Fraktionen des Auswärtigen Ausschusses telefoniert, so Steinmeier. Grünes Licht auf diesem Weg, aber wohl nicht durch eine Sitzung des gesamten Parlamentes. Das ist der Plan.

Jetzt würden "Fakten geprüft", heißt es im Verteidigungsministerium. Und natürlich würden die kurdischen Peschmerga-Einheiten nur Waffen und Geräten erhalten, die auch "voll einsatz- und verwendungsfähig" seien, sagt ein Sprecher mit Blick auf Medienberichte, wonach Splitterschutzwesten alt und defekt seien oder Nachtsichtgeräte nicht lieferbar.

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums haben die Kurden bereits bestimmte Waffenarten benannt, die sie für ihren Kampf gegen die bestens gerüstete Miliz "Islamischer Staat" benötigten: vor allem panzerbrechende Waffen. So könnte die Bundeswehr "Milan"-Raketen liefern, die gepanzerte Fahrzeuge bekämpfen können, aber eben auch Gewehre und Panzerfäuste. Die Entscheidung steht bevor.

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