Kommentar zu Europa nach Renzis Niederlage Reformunfähiges Italien

Meinung | Brüssel · Das Ende der Ära Matteo Renzi trifft die Europäische Union tiefer als sie zugeben möchte. Ein Kommentar nach dem Scheitern des Referendums von Detlef Drewes.

 Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi wurde Opfer seiner Reformbereitschaft.

Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi wurde Opfer seiner Reformbereitschaft.

Foto: dpa

Europa reagiert gelassen, nicht geschockt. Dabei trifft das Ende der Ära Matteo Renzi die Union tiefer als sie zugeben möchte. Auch wenn der Sozialdemokrat am Ende auf der Gemeinschaft herumhackte und sie zum Sündenbock für die italienische Krankheit zu machen versuchte, bleibt er unterm Strich doch ein Reformer, wenn auch ein verhinderter. Das wiegt schwer, weil das Land Mitglied des Euro und alles andere als ein politisches Leichtgewicht für diese Union ist. Ein Fall in die Staatspleite wäre unbezahlbar und gerade deswegen eine kaum zu bewältigende Notsituation für die EU.

Auch wenn Renzi selbst Fehler gemacht hat, indem er ein politisch nicht notwendiges Referendum ansetzte und dann sein Gewicht in die Waagschale warf, wurde der Premier Opfer seiner Reformbereitschaft. Und er provozierte damit die Frage an seine bisherigen Amtskollegen: Wie kann man einen Staat umbauen und sanieren, ohne damit politischen Selbstmord zu begehen? Das Bekenntnis zur EU scheint in der Bevölkerung immer weniger mehrheitsfähig, weil die Union sich bei Problemen als handlungsunfähig erwiesen hat. Im Zweifel bedienen die Staats- und Regierungschefs eher die Egoismen ihrer eigenen Wähler, anstatt für Solidarität zu werben.

Italiens Unfähigkeit für eine Modernisierung des Staates ist kein Einzelfall. In vielen Ländern greifen wackelnde Regierungen gerne zu den altbekannten, aber wirkungslosen Instrumenten, um sich die Sympathien ihrer Wähler zu sichern: Da werden Versprechungen gemacht, Zusagen gegeben und Wahlgeschenke verteilt. Anstatt den Bürgern klarzumachen, dass der Staat nicht mehr der jedes persönliche Risiko auffangende Übervater sein kann, beschränkt man sich lieber auf eingängige Botschaften, die allesamt nur bis zum Wahltag, aber nicht danach halten. Solche Billigrezepte gehen nicht auf. Europa sollte eigentlich die Union sein, die in der Gemeinschaft und durch die gegenseitige Harmonisierung krisenfest macht

Der Tag nach dem Votum in Italien scheint die schlimmen Befürchtungen Lügen zu strafen: Keine Eurokrise zeichnete sich ab, keine Staatspleite wurde erkennbar. Tatsächlich aber könnte sich aus einem Betriebsunfall am vergangenen Sonntag in Rom schnell mehr entwickeln, wenn es nicht gelingt, zügig eine stabile Regierung zu installieren. Das ist zum einen Sache des italienischen Staatspräsidenten. Aber es bleibt auch ein Auftrag an die Union, das Land nicht länger mit Aufgaben alleinzulassen, die es überfordern – wie beispielsweise mit deutlich über 170 000 Flüchtlingen alleine in diesem Jahr. Denn die Botschaft, die die Italiener aus einem solchen Verhalten der EU-Familie ablesen, lautet: Europa löst nichts, Europa schiebt Verantwortung ab. Warum also sollte man dieser Gemeinschaft noch länger über den Weg trauen? Der Wahlsonntag in Italien war eine Warnung.

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