Wladimir Putin stellt sich der Presse Redemarathon des "treu ergebenen Dieners"

MOSKAU · Er scherzt, er hebt den Zeigefinger, er fegt die Teetasse von seinem Pult. Dann aber hat er genug. "Setz dich Mascha, gib das Mikrophon ab", sagt Wladimir Putin und zeigt die volle Respektlosigkeit gegenüber einer russischen Journalistin aus Wladiwostok.

 Vor der internationalen Presse: Wladimir Putin.

Vor der internationalen Presse: Wladimir Putin.

Foto: dpa

Sie, die eigentlich Maria Solowjenko heißt, hatte ihn gerade gefragt, wo eigentlich die Milliarden Rubel hin sind, die etliche Beamte zur Seite geschafft haben sollen. "Bitte?", entgegnet der russische Präsident. "Die Milliarden! Wissen Sie denn nichts davon?", insistiert die Frau und muss prompt still sein.

Wladimir Putin ist in seinem Element. Vier Stunden und 33 Minuten sitzt er vor mehr als 1000 russischen und ausländischen Journalisten in einem blau geschmückten Saal mitten in Moscow City, dem Moskauer Finanzdistrikt, der gern wie London oder Hongkong sein will. Sein großer Auftritt vor der Presse, sein Rekord.

Wie in einem überfüllten Klassenraum heben die Journalisten die Arme, sie wedeln mit Schals oder mit vollgeschriebenen Zetteln: "Vom Dorf" steht auf einem, "Tschetschenien", "St. Petersburg" auf anderen. Putin - immer wieder spricht er von sich als "euer treu ergebener Diener" - redet gern und ausgiebig. Und am besten über sich selbst. Es stehe schlecht um seine Gesundheit? Ach was, es ist alles bestens! Fehler? "Wenn ich so zurückblicke, sehe ich keine." Autoritäres System, auf ihn als Präsidenten ausgerichtet? "Hören Sie, Sie haben etwas nicht verstanden. Ich war vom Präsidentenposten in die zweite Reihe getreten, war vier Jahre Regierungschef. Ich hätte auch die Verfassung ändern können. Für mich ein Leichtes. Habe ich aber nicht gemacht. Wo ist da die Autorität? Also bitte!"

Der Präsident behält gern die Oberhand, er hat sich jahrelang darin geübt. Er redet gern über Erfolge, vor allem wirtschaftlicher Art. Unangenehme Fragen bügelt er ab, wenn es sein muss. Fragen zur Korruption, zum niedrigen Vertrauen des Volkes in den Kreml, zu bestellten Gerichtsurteilen. Vor allem aber muss er immer wieder die Frage nach dem sogenannten Anti-Magnitsky-Gesetz beantworten, das Russlands Parlamentarier am Vortag in zweiter Lesung angenommen hatten.

Ein Gesetz, das selbst die russische Regierung in zwei Lager spaltet. Damit soll Amerikanern die Adoption russischer Kinder verboten werden. Gedacht ist es als Gegenschlag auf den amerikanischen Magnitsky-Act, den US-Präsident Barack Obama vergangene Woche unterzeichnet hatte. Russischen Beamten, die in Fälle von Menschenrechtsverletzungen verstrickt seien, so Washington, soll die Einreise in die USA damit verboten und ihr Vermögen eingefroren werden.

"Die USA provozieren uns, wir müssen uns wehren", sagt Putin und begrüßt den Vorschlag aus der Duma. Er muss die Vorlage noch unterzeichnen. Russische Menschenrechtler bezeichnen das Gesetz als kurzsichtigen politischen Racheakt, der auf dem Rücken von Kindern ausgetragen werde. Davon aber will Russlands Staatschef auch nach der fünften Nachfrage nichts hören. Auch die Syrien-Frage ist für Putin geklärt. "Sie haben doch selbst Probleme mit den Menschenrechten, Guantánamo, Abu Ghreib, versuchen Sie mal, dort einen Polizisten anzugreifen! Sie landen im Knast." Das syrische Volk müsse selbst entscheiden, so das stets wiederholte Credo Putins.

Und die Milliarden? Putin lässt "Mascha" nicht im Stich. Darum kümmerten sich die Ermittler, sagt er, "in unserem transparenten Staat mit unabhängiger Justiz."

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