Kommentar zum Brexit-Ultimatum Realitätsverlust

Meinung | London · Sowohl die britische als auch die europäische Seite zeigt sich bei den Brexit-Verhandlungen unnachgiebig. Es handelt sich längst um einen rechthaberischen Machtpoker, meint unser Autor.

 Brüsseler Erklärungen: Der EU-Chefunterhändler für den Brexit, der Franzose Michel Barnier.

Brüsseler Erklärungen: Der EU-Chefunterhändler für den Brexit, der Franzose Michel Barnier.

Foto: AFP

Die Vorwürfe werden schärfer. London und Brüssel sind beim beiderseitigen Realitätsverlust angekommen. Hartnäckig hält sich in der britischen Regierung das Gerücht, die EU werde am Ende schon einknicken. Ebenso fest ist man in den europäischen Reihen davon überzeugt, dass das Vereinigte Königreich in letzter Minute seine Blockade aufgeben werde. Aus den Verhandlungen ist längst ein rechthaberischer Machtpoker geworden.

Natürlich bekommt London inzwischen die Auswirkungen des bevorstehenden EU-Ausstiegs zu spüren, weil nicht nur Privatleute, sondern auch Unternehmen und Banken abwandern oder entsprechende Schritte vorbereiten. Aber auch die europäische Seite übersieht, dass sie erpressbar ist: Eine chaotische Scheidung ohne Übereinkommen würde zahlreiche Betriebe auf dem Kontinent massiv treffen. Genau genommen sind beide darauf angewiesen, dass der andere wenigstens mal ein kleines Zugeständnis macht, um dann einen Erfolg herzeigen zu können.

Doch danach sah es zumindest bei dieser sechsten Verhandlungsrunde nicht aus. Ganz im Gegenteil. Die einzige Neuigkeit bestand am Freitag in dem Ultimatum, das die 27er Gemeinschaft aus der Tasche zog, nachdem die britische Delegation sich wieder einmal an den längst bekannten Standpunkten festgebissen hatte. Dass man so nicht weiterkommt, ist klar. Aber niemand bemüht sich darum, den Eindruck zu beseitigen, dass das eigentliche Ziel in der größtmöglichen Beschädigung des Gegners besteht. Zwei angeschlagene Partner aber haben keine gute Zukunft.

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