Gedenken an verstorbenen Altkanzler Reaktionen zum Tod von Helmut Schmidt

Berlin · Bundespräsident Joachim Gauck hat Helmut Schmidt als "einen der bedeutendsten deutschen Politiker der Nachkriegszeit" gewürdigt. Auch die Bundestagsfraktionen haben ihre Trauer über den Tod bekundet und dem beliebten Altkanzler gedacht.

"In seinen öffentlichen Ämtern, ganz besonders als Bundeskanzler, hat Helmut Schmidt Großes geleistet", schrieb Gauck am Dienstag an Schmidts Tochter Susanne Kennedy-Schmidt. "Mit den Tugenden, die ihn auszeichneten - Unabhängigkeit des Geistes, Mut und Pflichtbewusstsein - wird er auch künftigen Politikergenerationen ein bleibendes Vorbild sein."

Der Bundespräsident würdigte Schmidts entschlossenes Handeln in schwierigsten Situationen, seine Fähigkeit, das Machbare zu erkennen und zu gestalten, aber auch seine Kompromissfähigkeit. In Zeiten der Bedrohung sei er für die Verteidigungsbereitschaft der freien Staaten Europas eingetreten. "Ihr Vater war ein leidenschaftlich vernünftiger Denker", schrieb Gauck weiter. Auch nach dem Ausscheiden aus der aktiven Politik sei er als Verleger und Publizist "ein aufmerksamer politischer Beobachter und Gestalter" geblieben.

Angela Merkel hat ihn als "politische Institution der Bundesrepublik" bezeichnet. Deutschland verdanke ihm viel, sagte sie am Dienstagabend in Berlin. Schmidts Standfestigkeit habe der Republik geholfen, die "schwere Prüfung" des Terrors der 1970er Jahre zu bestehen. Merkel erinnerte an Schmidts Einsatz für den Nato-Doppelbeschluss und das europäische Währungssystem. "Ich stehe hier in tiefem Respekt vor den Leistungen Helmut Schmidts", sagte die Kanzlerin und wünschte Schmidts Lebensgefährtin und seiner Tochter Trost in der Erinnerung an sein "langes und gut gelebtes Leben". Merkel betonte: "Er war auch für mich eine Instanz, dessen Rat und Urteil mir etwas bedeuteten."

Den Deutschen sei er über seine Heimatstadt Hamburg hinaus mit der Sturmflut 1962 ein Begriff geworden. Als Innensenator habe er entschlossen und mit der Gabe zur Improvisation gehandelt. "Ich weiß noch ganz genau, wie ich damals als kleines Mädchen und natürlich auch meine Eltern in der DDR am Radio buchstäblich hingen, weil wir uns unglaubliche Sorgen um unsere Großmutter und unsere Tante in Hamburg machten, und wie wir gerade Helmut Schmidt vertrauten, dass er die Lage in den Griff bekommen wird."

Die Deutschen hätten seine hanseatisch-schnörkellose Sprache und seine natürliche Autorität geschätzt. "Aus der Wertschätzung, aus dem Respekt ist mit den Jahrzehnten eine tiefe Zuneigung zu unserem Altkanzler geworden. Uns imponierten seine persönliche Bescheidenheit genauso wie sein Pflichtbewusstsein."

Bundestagspräsident Norbert Lammert hat Helmut Schmidt als "eine der bedeutendsten politischen und intellektuellen Persönlichkeiten unseres Landes" gewürdigt. Schmidt habe sich als Parlamentarier, als Bundesminister und vor allem als Bundeskanzler auf herausragende Weise um Deutschland verdient gemacht, schrieb Lammert am Dienstag laut Mitteilung in einem Beileidsschreiben an Schmidts Tochter. Lammert hob vor allem Schmidts Handeln in der Wirtschaftsrezession der 70er Jahre, im Kalten Krieg und im "Deutschen Herbst" mit dem RAF-Terror hervor.

Mit seiner Standfestigkeit habe er sich hohes Vertrauen und Ansehen nicht allein in Deutschland erworben - er habe in der ganzen Welt höchste Reputation als Staatsmann genossen. Lammert würdigte auch Schmidts prägende politische Rolle über seine Kanzlerschaft hinaus. Seine Meinung habe nicht wenigen Menschen bis zuletzt als Kompass gedient. Man verneige sich vor einer der bedeutendsten politischen und intellektuellen Persönlichkeiten unseres Landes, erklärte der Bundestagspräsident laut der Mitteilung.

Die SPD-Bundestagsabgeordneten haben am Dienstag während der laufenden Fraktionssitzung vom Tod des früheren SPD-Bundeskanzlers erfahren und seiner spontan mit einer Schweigeminute gedacht. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte zu den Abgeordneten, es sei nun leider eingetreten, was alle befürchtet hätten. Oppermann erinnerte an die letzte SPD-Parteitagsrede Schmidts 2011 in Berlin, wo dieser mahnende Worte zum Zustand Europas gefunden hatte. Vieles davon sei unverändert gültig.

Sigmar Gabriel (SPD), Parteivorsitzende und Wirtschaftsminister:

"Ein wirklich großer Patriot, ein großer Europäer und ein großer Sozialdemokrat ist gestorben", sagte der Vizekanzler am Dienstag in Berlin. Die Sozialdemokratie trauere um einen Menschen, der weit über die SPD hinaus als jemand im Gedächtnis bleibe, der mit Zuversicht, Realismus und Tatkraft "unser Land gestaltet hat".

Schmidts Herzensthema sei der Zusammenhalt Europas gewesen: "Ich glaube, dass sein Vermächtnis Europa ist." Gabriel erinnerte an Schmidts letzte große Rede bei einem SPD-Bundesparteitag im Jahr 2011. Schmidt habe damals gemahnt, dass es nichts Wichtigeres als die Freundschaft zu Frankreich gebe. Und: "Dass Deutschland seine Führungsrolle nicht überfordern darf, und dass wir eine Verantwortung haben, Europa zusammenzuhalten", sagte Gabriel.

Diese Worte hätten gerade jetzt eine besondere Bedeutung, wo manche von Europa enttäuscht seien. Helmut Schmidt werde für die Deutschen über Generationen hinweg "als einer der bedeutendsten Staatsmänner unseres Landes in Erinnerung bleiben."

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD):

"Das jetzt ist eine Stunde, in der Deutschland innehält", sagte Steinmeier am Dienstag in Berlin. "Er hat nicht nur meine Generation geprägt, sondern viele bis heute haben seine Klugheit, seine Autorität geschätzt und gesucht." Schmidt habe die Notwendigkeit gesehen, Deutschland in die Weltwirtschaft einzubinden. Steinmeier erinnerte auch an Schmidts "Kurshalten" in der Auseinandersetzung mit dem Terrorismus in den siebziger Jahren.

Die Unionsfraktion hat des gestorbenen früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt (SPD) gedacht. Die laufende Sitzung wurde am Dienstag für einen Moment des Schweigens unterbrochen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erinnerte nach Teilnehmerangaben an die Rolle Schmidts als Krisenmanager bei der Sturmflut 1962 in ihrer Geburtsstadt Hamburg, von der sie in der DDR im Radio gehört habe. Merkel hob zudem Schmidts Rolle als Vordenker der internationalen Zusammenarbeit hervor. Der SPD-Politiker starb nach Angaben seines Arztes am Dienstag im Alter von 96 Jahren in Hamburg.

Volker Kauder, Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion:

"Der Tod von Helmut Schmidt erfüllt uns mit Trauer. Wir verneigen uns vor einem großen Staatsmann. Helmut Schmidt war der letzte Bundeskanzler, der den Zweiten Weltkrieg als Soldat mit erlebt hat. Diese Erfahrung war für ihn die Motivation, unserem Land zu dienen. Unvergessen ist seine Leistung während der Hamburger Flutkatastrophe 1962. Als großer Parlamentarier wurde er Fraktionsvorsitzender. Gemeinsam mit Rainer Barzel prägte er in dieser Funktion die erste Große Koalition.

Als Bundesminister für Verteidigung, Finanzen und Wirtschaft legte er die Grundlage für seine Kanzlerschaft. Als Kanzler führte er Deutschland durch schwere Jahre, die von Wirtschaftskrisen, Terrorismus und Aufrüstung der Sowjetunion geprägt waren.

In den folgenden mehr als 30 Jahren begleitete er die Politik als Ratgeber und Publizist mit zahlreichen Veröffentlichungen. Helmut Schmidt hat sich um Deutschland verdient gemacht."

Hannelore Kraft (SPD), Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalens:

Hannelore Kraft hat Helmut Schmidt als großen Staatsmann des 20. Jahrhunderts gewürdigt. Der im Alter von 96 Jahren gestorbene Altkanzler habe das Ansehen Deutschlands in der ganzen Welt gemehrt, erklärte Kraft am Dienstag in Düsseldorf in einem Kondolenzschreiben an Schmidts Tochter Susanne. "Wir verlieren mit seinem Tod einen großen Deutschen, einen leidenschaftlichen Europäer und einen standfesten Sozialdemokraten, der seinen Weg mit großer Geradlinigkeit ging."

An vielen Stellen habe sich Schmidt um sein Land verdient gemacht. "Wegen seiner Klarheit in Wort und Tat, seiner Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit als Politiker und Mensch bleibt Helmut Schmidt ein Vorbild für Generationen, deren Vertrauen er zeitlebens genoss", schrieb Kraft. "Sein Wort hatte Gewicht weit über seine Amtszeit als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hinaus."

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) will an die politischen Grundüberzeugungen von Altkanzler Helmut Schmidt (beide SPD) nach dessen Tod anknüpfen. Er "vertrat stets die Auffassung, dass die alte Stadtrepublik Hamburg immer eine Stimme der Aufklärung, der Vernunft und des Fortschritts sein müsse", erklärte Scholz am Dienstag in einer Mitteilung. "Wir wollen ihm ein ehrendes Andenken bewahren, indem wir seine politischen Grundüberzeugungen in die Zukunft fortschreiben."

Der Hamburger Ehrenbürger werde fehlen. "Wie für viele war auch für mich Helmut Schmidts Rat immer besonders wertvoll", so Scholz weiter. "Die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt trauern um einen Mann, dem sie vertraut haben", erklärte Scholz, der sich derzeit zu politischen Gesprächen in China aufhält. Schmidt sei immer ein Sohn seiner Stadt geblieben. "Sein Verhältnis zu seiner Heimatstadt war geprägt von tiefer Zuneigung." Und die Hamburger hätten diese Zuneigung erwidert.

Hans-Dietrich Genscher (FDP), ehemaliger Außenminister:

"Wir wissen, Deutschland ist ärmer geworden, und wir empfinden, er wird uns fehlen - immer wieder", heißt es in einer Erklärung, die von Genschers Büro verbreitet wurde. "Für mich ist der Tod Helmut Schmidts der Abschied von einem Weggefährten in schwerer Zeit und auch mit einer bitteren Phase, die für mich die menschliche Seite nie berühren konnte."

Genscher war von 1974 bis 1982 unter Schmidt Außenminister in einer sozial-liberalen Koalition. Die FDP wechselte dann zur Union, was für Schmidt das Ende seiner Kanzlerschaft bedeutete. Zum Nachfolger wurde durch ein konstruktives Misstrauensvotum der damalige CDU-Vorsitzende Helmut Kohl gewählt.

Malu Dreyer, Ministerpräsidentin Rheinland-Pfalz:

"Mit seinem Handeln hat er die Entwicklung der Bundesrepublik maßgeblich geprägt und die Weltpolitik beeinflusst", teilte Dreyer am Dienstag in Mainz mit. Disziplin, Geradlinigkeit und außerordentliches Pflichtbewusstsein hätten sein Handeln bestimmt. Dreyer erklärte, sie erinnere sich mit großer Dankbarkeit an Treffen mit Schmidt in Trier 2005 und in Ludwigshafen 2013. Landtagspräsident Joachim Mertes (SPD) bezeichnete Schmidt als großen Staatsmann im besten Sinne.

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