Kommentar zum Verhältnis Stadt-Land Raus aufs Land

Meinung | Bonn · Das Land rutscht ganz langsam immer tiefer in die Krise. Seine Schönheit verschwindet, seine Lebensqualität auch. Was wir tun müssen.

 Leben auf dem Land - eine Idylle?

Leben auf dem Land - eine Idylle?

Foto: picture-alliance / gms

Ostern, Frühling, raus aufs Land: Dieser Dreiklang gehört für viele Städter zu den unverzichtbaren Bestandteilen der Feiertage. Die Städte leeren sich, man fährt ins Grüne, wo es schön idyllisch ist. Die Deutschen lieben „des Volkes wahren Himmel“, wie Goethe diese Mischung aus Wiesen, Wald, Dorf, Vergnügen und Gefühl beschreibt. Doch das Idyll hat seit einigen Jahren erhebliche Probleme. Sie zu lösen, gehört zu den großen politischen Herausforderungen der kommenden Jahre. Antworten gibt es noch viel zu wenig, vielleicht gibt es noch nicht einmal ein Problembewusstsein.

Der demografische Wandel wird gerne ins Feld geführt. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Auf dem Land fehlen qualifizierte Arbeitsplätze. Deswegen wandern die Jungen ab. Das führt in den Städten zu einer neuen Wohnungsnot und auf dem Land zu einem brutalen Verfall der Immobilienpreise. Das ist eine stille Enteignung, denn das Haus als Altersvorsorge funktioniert nur noch, solange es selbst bewohnt werden kann. Es gibt Regionen, in denen der Ausbau von Straßen oder Kanälen nicht mehr lohnt, weil die Siedlungen in ein paar Jahrzehnten leer sein werden.

Wer auf dem Land leben will, muss pendeln. Das geht nur, wenn Bus, Bahn oder Straße funktionieren und die nächste Stadt nicht allzu weit entfernt ist. Pendlerströme sieht man in den Städten inzwischen sehr kritisch. Wer arbeiten will und seine Lebenszeit nicht im Auto verbringen möchte, muss umziehen.

Die Landwirtschaft ist kein Stützpfeiler mehr, sondern trägt in vielen Regionen zur Krise bei. Damit sie sich lohnt, muss sie in industriellem Maßstab betrieben werden. Öko ist nur lukrativ, wenn die Stadt, der Absatzmarkt, in der Nähe ist. Die Folgen dieser Wirtschaftsweise bringen ganze Landstriche in Schwierigkeiten. Die Energiewende kommt hinzu. Deren Folgen trägt vor allem das Land, wo die Windkraftanlagen Land und Landschaft verbrauchen, wo der Mais im großen Stil mit reichlich Gülle und Mineraldünger angebaut werden muss, damit die Biogasanlagen laufen.

So rutscht das Land ganz langsam immer tiefer in die Krise. Seine Schönheit verschwindet, seine Lebensqualität auch. Wenn die Städter sich an Zeitschriften erfreuen, die Idylle vorführen, sich aber für die Realitäten gar nicht mehr interessieren, dann ist das eine Flucht aus der Wirklichkeit. Die kann schwere Folgen haben, denn auf dem Land, in der Provinz, werden in Deutschland noch immer Wahlen gewonnen. Wenn die Politik das Land vernachlässigt, muss die Gesellschaft mit harten Folgen rechnen.

Keine Frage, es ist schön, zu Ostern aufs Land zu fahren. Wenn das auch noch in ein paar Jahren funktionieren soll, muss etwas geschehen. Überfüllte Städte und ein verarmtes Land mit frustrierten Menschen haben keine Zukunft. Es muss ein Ausgleich her, der das Idyll neu belebt.

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